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Politik: Rechtspopulismus in Europa: Sind die Haiders nur in der Opposition erfolgreich? - ein Tagungsbericht

In Westeuropa existiert, von Dänemark bis Italien, seit gut zehn Jahren ein neues Phänomen: rechtspopulistische Parteien. Und zwar erfolgreiche.

In Westeuropa existiert, von Dänemark bis Italien, seit gut zehn Jahren ein neues Phänomen: rechtspopulistische Parteien. Und zwar erfolgreiche. Eine Tagung der Amadeu-Antonio- und der Heinrich Böll-Stiftung, betitelt "Ein Haider kommt selten allein", nahm sich des Phänomens am Wochenende an. Die Erkenntnisse fielen beunruhigend aus. Der neue Rechtspopulismus ist, anderes als der Neofaschismus der Nachkriegszeit, keine Nostalgieveranstaltung: Die NPD in den 60ern und die italienische MSI waren vor allem trostlose Versuche, den 2. Weltkrieg umzuschreiben. Der Fixpunkt der neuen Rechtspopulisten hingegen ist nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft. Und die soll, von Ligurien bis Dänemark, völkisch sein.

Der Politikwissenschaftler Patrick Moreau präparierte die wesentlichen Elemente dieser buntgescheckten Bewegung heraus. Sie greift, anders als die Neofaschisten, das demokratische System "nicht offen" an, widerspricht aber einigen zu Grunde liegenden Werten wie der sozialen Gleichheit. Je komplexer die Probleme, desto einfacher die Lösungen, die sie parat haben: eine Art nationaler Schicksalsgemeinschaft, die sich gegen die Gefahr von außen wehrt. In dem Maße, in dem sich die sozialdemokratischen Milieus auflösen, wächst der Zuspruch für Le Pen, Haider und Bossi. So ist die FPÖ die stärkste Arbeiterpartei in Österreich geworden, noch vor der SPÖ. Allerdings ist die FPÖ nicht bloß Sammelbecken für männliche, meist schlecht ausgebildete "Neoproletarier" (Moreau). Modern ist die FPÖ, weil sie viele Milieus bedient. Zuspruch bekommt sie auch von neoliberalen Wählern. Kurzum: Die Rechtspopulisten sind im Heute angekommen. Sie bieten, wie die Volksparteien der Mitte, einen "policy mix", der auch scheinbar Widersprüchliches vereint: die Sehnsucht nach dem starken Staat und einen neoliberalen Anti-Etatismus. Der Rechtspopulismus ist erfolgreich - in der Opposition.

Die entscheidende Frage lautet: Kann er auch die Machtzentralen erobern? Oder rebelliert dann die enttäuschte Basis gegen die populistischen Führer, die nicht halten, was sie versprachen? Was tut die EU? Diese Lage ist derzeit in Wien zu besichtigten. Dort regiert die FPÖ mit, die EU hat mit symbolischen Sanktionen geantwortet. Die linksliberale Heide Schmidt, frühere Generalsekretärin der FPÖ, hält eine Spaltung der FPÖ in einen rechtsextremen und einen gemäßigten Flügel für unwahrscheinlich. Zwar treffen die Sparmaßnahmen der Regierung gerade die FPÖ-Klientel, gleichwohl sei die Basis erstaunlich duldsam. Die EU-Maßnahmen seien, obwohl unvollkommen und in vielem unbedacht, im Grunde richtig: "Haider kann nun nicht mehr Kanzler werden."

Und nun? Der Rechtspopulismus ist mehr als eine unschöne Begleiterscheinung von Modernisierung und EU-Integration, die irgendwann wie ein Spuk verschwinden wird. Denn er ist, zumal mit einem autoritären Rebellen wie Haider als Führer, eine durchaus moderne Antwort auf die verbürokratisierte Politik. Doch einen anwachsenden Rechtspopulismus kann die EU nicht dulden - schon weil eine instituionalisierte, offizielle Ausländerfeindlichkeit ihre eigene Existenz in Frage stellt.

Stefan Reinecke

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