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Bundespräsident Joachim Gauck spricht am 23.06.2016 in der Aula der Universität in Sofia (Bulgarien) bei einer Diskussionsveranstaltung mit Studierenden.

© dpa

Referendum in Großbritannien: Gauck zeigt Verständnis für Kritik der Brexit-Anhänger

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich am Tag des Brexit-Referendums in einer Rede vor Schülern und Studenten optimistisch über die Zukunft der EU geäußert.

Von Hans Monath

Bundespräsident Joachim Gauck hat die Auseinandersetzung über einen EU-Ausstieg Großbritanniens als Weckruf interpretiert. „Das Beste an der Debatte über den sogenannten Brexit war die Debatte selbst“, sagte Gauck am Donnerstag am Tag des Brexit-Referendums in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Die Debatte habe „Unmut über die Europäische Union ans Licht gebracht“, ein „Nachdenken über Europa angeregt“ und „Impulse für Reformen gesetzt“.

Gauck zeigte sich zugleich optimistisch im Hinblick auf die Zukunft der EU: „Ich glaube nicht, dass wir mit einem Zerfallsprozess in Europa zu rechnen haben.“ EU-Freunde befürchten, ein Brexit werde europafeindliche Tendenzen und Austrittsreferenden in anderen Ländern nach sich ziehen. Deshalb gilt das Referendum als Schicksalswahl für Europa.

Der Bundespräsident warnte vor Studenten an der Universität Sofia davor, nach der Abstimmung der Briten einfach zur Tagesordnung überzugehen. „Wir sollten aus der Krise Lehren ziehen und weiter diskutieren, wie wir in Europa leben wollen“, sagte er. Die Brexit-Debatte habe Unmut über die Europäische Union ans Licht gebracht, der zuvor im Verborgenen geschwelt habe.

Eine Debatte über die Zukunft Europas sei auch deshalb wichtig, weil Krisen und Konflikte in unmittelbarer Nähe, Terroranschläge und die Flüchtlingskrise zur Verunsicherung beitrügen. „In einer Welt, die unübersichtlicher und unberechenbarer geworden ist, müssen wir Europäer – nicht zuletzt aus Eigeninteresse – mehr Verantwortung übernehmen, gemeinsam mit unseren Partnern.“

Gauck äußerte Verständnis dafür, dass die von Deutschland lange propagierte vertiefte EU-Integration auf Widerstand stößt. Die Vorstellung eines „immer engeren Europas“ überfordere viele Menschen, sagte er. Durch die Brexit-Debatte spürten nun viele Politiker, „dass man auch zu viel Tempo einschlagen kann“. Die Botschaft sei: „Übertreibt es nicht mit der allzu schnellen Vereinigung.“

Merkel plädiert für Beratungen "in Ruhe"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte vor hektischen Reaktionen auf das Referendum. Europa solle das Ergebnis „gemeinsam und auch in Ruhe“ beraten, sagte sie nach einem Treffen mit ihrem neuen österreichischen Kollegen Christian Kern in Berlin. „Ich halte nichts davon, jetzt in Untergruppen zu zerfallen.“ Das Ergebnis werde auf dem EU-Gipfel am Dienstag und Mittwoch in Brüssel beraten. Merkel bekräftigte, sie wünsche sich eine Entscheidung, „bei der Großbritannien Teil der Europäischen Union bleibt“.

Neben Merkel hatten weltweit auch führende Politiker wie US-Präsident Barack Obama oder Chinas Präsident Xi Jinping vor einem Brexit gewarnt. In diesem Fall wird mit Schockwellen für die Weltwirtschaft gerechnet. Die G-7-Finanzminister wollen dem nach japanischen Angaben vorbauen. In einer Erklärung soll die Bereitschaft für alle notwendigen Schritte zur Beruhigung der Märkte betont werden.

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