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Explosion in Gizeh. Das Referendum, zu dem knapp 53 Millionen Menschen aufgerufen sind, wird von Gewalt begleitet. Die Ägypter stimmen zum dritten Mal in drei Jahren über eine neue Verfassung ab.

© dpa

Referendum über neue Verfassung: Mindestens elf Tote bei Zusammenstößen in Ägypten

In Ägypten findet das Referendum über eine neue Verfassung seinen Abschluss. Der Auftakt der Abstimmung wurde von Gewalt begleitet. Dabei kamen mindestens elf Menschen ums Leben.

Begleitet von Zusammenstößen zwischen den islamistischen Muslimbrüdern und der Polizei haben die Ägypter am Dienstag über eine neue Verfassung abgestimmt. Bei den Konfrontationen kamen mindestens elf Menschen ums Leben. In Kairo und in Mahalla nördlich der Hauptstadt explodierte je ein kleiner Sprengsatz. Dabei wurde aber niemand verletzt. Die Beteiligung am Referendum war offensichtlich rege. Es ist die erste Abstimmung in Ägypten seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch die Streitkräfte im vergangenen Sommer. Eine Annahme des neuen Grundgesetzes gilt als sicher. Das Referendum ist auch ein Test für die Beliebtheit von Armeechef und Verteidigungsminister Fattah al-Sissi, dessen Handschrift die neue Verfassung trägt. Der 59-Jährige, der seine Stellung als starker Mann seit der Absetzung Mursis festigen konnte, hatte in einer Rede am Samstag indirekt die Beteiligung am Referendum mit seiner Kandidatur für das Präsidentenamt verknüpft: Er brauche die Unterstützung des Volkes, um anzutreten, erklärte er. Die Muslimbrüder, die den inhaftierten Mursi unterstützen, demonstrierten am Dienstag in mindestens vier Städten. Die schwersten Zusammenstöße gab es in Sohag südlich der Hauptstadt Kairo. Was genau passierte, war zunächst unklar. Örtliche Behördenvertreter berichteten, dass vier Anhänger der Muslimbrüder sowie drei Polizisten getötet worden seien. Demnach gab es mehr als 20 Verletzte. Dagegen berichtete die amtliche Nachrichtenagentur unter Berufung auf das Innenministerium, die Islamisten hätten das Feuer auf Passanten eröffnet, um sie an der Stimmenabgabe zu hindern. Auch in Giseh in der Nähe von Kairo kam es zu Zusammenstößen. Dort wurden vier Menschen getötet. In Beni Suef weiter südlich kam ein Mann ums Leben. Die Muslimbrüder hatten die Bürger aufgerufen, das Referendum zu boykottieren. Auch deswegen wird eine breite Zustimmung erwartet. Die Wahllokale sind noch bis Mittwochabend geöffnet. Ein Ergebnis soll drei Tage nach Ende der Abstimmung vorliegen.

Meilenstein oder Zementierung der Macht?

Armee und Befürworter der neuen Verfassung haben die Abstimmung als Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie bezeichnet. Es ist bereits der dritte Anlauf zu einer neuen Verfassung seit dem Sturz des langjährigen Präsidenten Husni Mubarak durch einen Volksaufstand 2011. Wird das Dokument angenommen, sollen im April ein Präsident und später ein Parlament gewählt werden. Die neue Verfassung ist eine überarbeitete Version des Dokuments, das Mursi vor etwas mehr als einem Jahr nach einer Volksabstimmung unterzeichnete. Umstrittene Passagen mit einer stark islamistischen Ausrichtung wurden entfernt und die Befugnisse von Armee, der Justiz und Polizei gestärkt.

Kritiker sehen in dem Entwurf vor allem den Versuch der Streitkräfte, ihre Macht abzusichern. So ist vorgesehen, dass kein Zivilist Verteidigungsminister werden darf. Als wichtigste Quelle der Rechtssprechung wird das islamische Recht, die Scharia, genannt. Zu bürgerlichen Rechten heißt es aber auch: “Der Staat garantiert die Errungenschaft der Gleichheit von Frau und Mann in allen zivilen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten.“ Dem Ausgang der Abstimmung wird eine große Bedeutung für die weitere Entwicklung der arabischen Welt zugewiesen. Ägypten ist mit seinen 85 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Region und hat auch politisch eine Vormachtstellung. (Reuters, dpa)

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