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Politik: Reformen auf Raten

Von Andrea Nüsse, Amman Drei Stunden harter Überzeugungsarbeit waren nötig, bis Palästinenserpräsident Arafat am Sonntagabend seine Unterschrift unter das 100-Tage-Reformprogramm seiner Regierung setzte. Am Montagmorgen um 10.

Von Andrea Nüsse, Amman

Drei Stunden harter Überzeugungsarbeit waren nötig, bis Palästinenserpräsident Arafat am Sonntagabend seine Unterschrift unter das 100-Tage-Reformprogramm seiner Regierung setzte. Am Montagmorgen um 10.15 Uhr wollte das Parlament darüber abstimmen. Doch dazu kam es nicht, weil die israelische Armee in der Nacht Ramallah vollständig wiederbesetzte und eine Ausgangssperre verhängte. Deshalb stellte Chefunterhändler Saeb Erekat das Papier erst am Mittwoch, einen Tag nach der Bush-Rede, der Öffentlichkeit vor.

Es sei eine „Neuheit“, dass Arafat ein Reformprogramm billige, sagte der Vertreter der EU-Kommission in den Palästinensergebieten, Jean Bretech‚ dem Tagesspiegel. Damit könnten auch die Minister der alten Garde, die kein Interesse an Veränderungen haben, dies nicht mehr blockieren. Das zeige, dass die sechs „Reformer“ im palästinensischen Kabinett genug Gewicht hätten, um die Dinge voranzutreiben, sagte Bretech.

Anders als lange vermutet sollen zunächst im Januar 2003 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten werden. Im März sollen Kommunalwahlen folgen. Offenbar fürchten die Reformer, dass bei den Kommunalwahlen zahlreiche Vertreter der islamistischen Hamas gewählt werden könnten. Viele Hamas-Vertreter haben sich durch ihre bürgernahe Arbeit in den Gemeinden bei der Bevölkerung großes Vertrauen erworben. An der Parlamentswahl will die Hamas aber voraussichtlich nicht teilnehmen.

Es wird erwartet, dass jüngere Reformer in das bisher mehrheitlich Arafat-treue Parlament einziehen werden. Ob Arafat als Präsident kandidieren werde, sei noch nicht entschieden, sagte Erekat. Allerdings erwarten die meisten, dass der Palästinenserpräsident sein Amt behalten will und in diesem Fall auch wiedergewählt würde.

Mit „sofortiger“ Wirkung soll eine Gewaltenteilung durchgesetzt werden. Schon vor Wochen hat Arafat ein Gesetz untgerzeichnet, das der Justiz Unabhängigkeit garantiert. Die Ernennung unabhängiger Richter, der Bau von Gerichtsgebäuden und die Schaffung eines Berufungsgerichtes sind angekündigt. Derzeit liegen unbearbeitete 250 000 Klagen bei palästinensischen Gerichten vor. Die palästinensische Verfassung, die Arafat nach jahrelangem Zögern am 15. Mai unterzeichnete, soll am 15. Juli im Amtsblatt veröffentlicht werden. Die Reorganisation der Sicherheitsdienste, die zukünftig dem Innenministerium unterstehen, soll spätestens in zwei Monaten abgeschlossen sein.

Das Reformprogramm ist ehrgeizig und mit einem konkreten Zeitplan versehen. Es entspricht den Forderungen palästinensischer Reformer, aber in weiten Teilen auch den Forderungen westlicher Regierungen. Die Frage ist nun, ob Israel es den Palästinensern durch einen Truppenrückzug rein physisch ermöglichen wird, die Reformen auch umzusetzen. Dazu bedürfe es jedoch amerikanischen und europäischen Drucks auf Israel, glaubt der Vertreter der EU-Kommission, Jean Bretech.

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