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Regierung Berlusconi: Wachstum auf Italienisch

Mit 24 Ministern und 63 Staatssekretären stellt Berlusconi Italiens bislang größte Regierung vor. Mit einer Vertrauensabstimmung machte das Abgeordnetenhaus am Mittwoch den Weg frei für das neue Kabinett des Ministerpräsidenten.

Rom (Der Tagesspiegel, 28.04.2005) - Für das neue Kabinett stimmten 334 Abgeordnete, dagegen fast die gesamte Mitte-Links-Opposition mit 240 Stimmen. Der vom Staatspräsidenten im Amt bestätigte Premier hatte zuvor bereits "große Überraschungen" bis zur Parlamentswahl 2006 angekündigt. Die neue Regierung, über die am heutigen Donnerstag noch im Senat abgestimmt wird, wäre die größte in der Geschichte Italiens.

Nach 24 Ministern und zwei Vizeministerpräsidenten wurden neun Vizeminister und 63 Staatssekretäre vereidigt. Vier Parteien und zwei Splittergruppen waren zufrieden zu stellen. Berlusconi verspricht, Kaufkraft der Familien sowie Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu steigern und die zum Teil seit Jahren offenen Tarifverträge für den öffentlichen und den staatsnahen privaten Dienst zu schließen. Ferner sollen das Haushaltsdefizit in den EU-verträglichen Rahmen zurückgeführt sowie die Staatsschulden von 106 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf weniger als 100 Prozent gedrückt werden. Für den wirtschaftsschwachen Süden des Landes will Berlusconi 22,5 Milliarden Euro an Kapitalhilfe bereitstellen und "unter größtem Einsatz in den schwierigen Verhandlungen mit Brüssel" weitere Hilfen locker machen. Das Wahlversprechen Steuersenkungen erwähnte er aber nur noch außerhalb des Parlaments.

Trotz der Forderungen seiner Koalitionspartner nach einem "sichtbaren Neuanfang" hat Berlusconi die wichtigsten Posten im Kabinett nicht neu besetzt. Dafür hat ein bedeutender Wiedereinstieg heftigen Streit auch in der Koalition ausgelöst: Giulio Tremonti, der im Juli 2004 entlassene Wirtschafts- und Finanzminister, ist als Vizepremier zurückgekehrt. Privatisierungen und Strafnachlässe für Steuer- oder Bausünder gehörten zu den von Brüssel kritisierten "Einmalmaßnahmen", mit denen er damals eine strukturelle Sanierung des Etats immer wieder hinausgeschoben hatte.

Jetzt meldete sich der Langzeitvertraute des Premiers spektakulär zurück: Italiens Badestrände sollten verkauft und die Erlöse zu einer "wirklichen" Hilfe für den Mezzogiorno verwendet werden, fordert Tremonti. "Massentourismus" - Betonburgen an den Stränden und Großflughäfen - seien die Zukunft des Südens. Dagegen protestieren nicht nur die Umweltschützer, die darauf hinweisen, dass mit Tremontis Amnestie für Schwarzbauten bereits jetzt sogar geschützte Strandabschnitte zubetoniert werden; Experten weisen darauf hin, dass sich Touristen von Betonburgen eher abgestoßen fühlen, und Politiker aus Süditalien sehen ihren Landstrich als eine Dritte-Welt-Kolonie betrachtet: "Wir können verkaufen, aber nur, wenn zuerst der Lago Maggiore und die Alpentäler privatisiert werden."

Der neue Vizepremier hat gezeigt, dass er sich als Herr im Koalitionshaus fühlt: Auf einen Streich hat er Finanzminister Domenico Siniscalco düpiert und die Parteien mit Wählern im Süden verärgert, die für seine frühere Demission verantwortlich sind: die rechtskonservative Alleanza Nazionale und die UDC. Tremonti hat zudem den Auftrag erfüllt, den ihm Berlusconi zugeteilt hat: politischer Bodyguard zu sein gegen die "widerborstigen Verbündeten, mit denen man über alles und jedes verhandeln muss". (Von Paul Kreiner)

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