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Politik: Regierung der Rivalen

Villepin als Premier, Sarkozy als Innenminister: Frankreich testet einen Mix aus harter und weicher Politik

Die meisten Franzosen waren erstaunt. Als kurz vor Mittag bekannt wurde, dass der neue Premierminister Frankreichs Dominique de Villepin heißt und nicht Nicolas Sarkozy, gab es in vielen Bistros Applaus. Der smarte Innenminister Villepin gilt bei vielen Franzosen als das „kleinere Übel“ im Vergleich zu Sarkozy, dem als „eisenhart konservativ“ eingestuften Vorsitzenden der ChiracPartei UMP.

Dennoch: Die Franzosen, die am vergangenen Sonntag mit einem eindeutigen „Nein“ gegen die EU-Verfassung stimmten, machten sich keinerlei Illusionen. Die Bevölkerung hat offenbar „die Schnauze voll“, wie das Umfrageinstitut CSA für die Zeitung „Le Parisien“ feststellte. Angesichts steigender Arbeitslosigkeit und etlicher anderer sozialer Probleme, darunter versprochener, aber nicht angepackter Reformen in den Bereichen Renten und Gesundheit, befindet sich Frankreich in einer tiefen Krise.

Staatspräsident Jacques Chirac wird als erster verantwortlich gemacht. Schon jetzt unken die Medien, dass er mit Villepin als Nachfolger des unpopulären Regierungschefs Jean-Pierre Raffarin höchstens sechs Monate „überleben“ kann. Der zusätzliche Schachzug Chiracs, Sarkozy erneut als Innenminister einzusetzen, rang den meisten Franzosen nur ein Lächeln ab: Erst im vergangenen November musste der ehrgeizige Gegenspieler Chiracs, der nichts anderes im Sinn hat, als diesen bei den Präsidentschaftswahlen 2007 zu beerben, bei seiner Krönung als UMP-Parteichef wegen Ämterhäufung als Wirtschaftsminister zurücktreten. Heute, so scheint es, ist dieses Prinzip nicht mehr gültig. Kein Wunder, dass die Medien Chiracs Manöver als höchst fragwürdig kommentierten.

Mit Villepin und Sarkozy sollen nun zwei Rivalen gemeinsam im Kabinett regieren. Immer wieder hatte Sarkozy Villepin verbal angegriffen, der sich noch nie einer Wahl gestellt habe. Sicher ist: Sarkozy wird seine konsequente Innenpolitik wieder aufnehmen, die sich vor allem gegen illegale Einwanderer und Prostituierte richtete und es geschafft hat, die Kriminalitätsrate in den vergangenen drei Jahren deutlich zu senken. Der 51-jährige Villepin steht für völlig andere Werte, vor allem für die Fortsetzung einer „weichen“ Sozialpolitik, wie sie in Frankreich bezeichnet wird – Gegenteil der deutschen Reformansätze unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, die in Frankreich von den Unternehmerverbänden und auch von den Ultraliberalen wie Sarkozy bewundert werden.

Seine wenig strenge Haltung könnte Villepin schnell den Kopf kosten, so urteilen Beobachter, weil Frankreichs Bevölkerung derzeit auf tiefgreifende Umwälzungen hofft. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Tandem Villepin/Sarkozy keine glorreiche Zukunft vor sich hat und dem angeschlagenen Chirac nicht viel mehr als einen Aufschub gibt. Der Fraktionschef der Sozialisten, Jean-Marc Ayrault, sagte: „Es ist, als wollte man eine schwere Krise mit kalten Umschlägen heilen.“

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