zum Hauptinhalt
Am Dienstag reichte Portugals Außenminister Paulo Portas sein Rücktrittsgesuch ein. Seine Entscheidung sei „unwiderruflich“.

© AFP

Regierung in Portugal bricht auseinander: Nach Finanzminister tritt auch Außenminister zurück

Weil er mit der Politik von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho nicht einverstanden sei, trat Portugals Außenminister Paulo Portas am Dienstag von seinem Amt zurück. Zuvor war bereits Portugals Finanzminister zurückgetreten.

Schon seit Monaten sind die Menschen des südeuropäischen EU-Schuldenlandes Portugal auf den Barrikaden: Protestieren gegen immer härtere Kürzungen staatlicher Leistungen, gegen höhere Steuerlasten, wachsende Arbeitslosigkeit und Armut. Portugals Verfassungsgericht pfiff zwei Mal die konservative Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho zurück, kippte Einsparungen beim Arbeitslosengeld und bei den Renten. Sogar die katholische Kirche fiel den Regierenden in den Rücken, geißelte den Sparkurs als „unsozial“. 

Der Druck der Straße wuchs zu einem Orkan, der den Architekten und Steuermann des umstrittenen Sparprogramms hinwegfegte: Finanzminister Vítor Gaspar (52), zweitmächtigster Mann unter Kapitän Passos Coelho, warf das Handtuch. Um das schlingernde Schiff Portugal auf Reformkurs zu steuern, brauche man in der Gesellschaft „Glaubwürdigkeit und Vertrauen“, erklärte Gaspar. „Dinge, die ich leider nicht mehr habe.“ Das Land am Atlantik war vor zwei Jahren vom EU-Rettungsfonds mit einem 78-Milliarden-Euro-Kredit vor dem Sinken bewahrt worden.

Am Dienstagabend brach dann die Koalitionsregierung aus Passos Coelhos konservativen Sozialdemokraten und der kleinen Volkspartei (PP) endgültig auseinander: PP-Chef und Außenminister Paulo Portas legte sein Ministeramt nieder, weil er nicht mit der Ernennung von Gaspars Nachfolgerin einverstanden war. Passos Coelho hatte Gaspars bisherige Staatssekretärin Maria Luís Albuquerque (45) zur neuen Finanzministerin ernannt. Portas, der Gaspars hartes Spardiktat ebenfalls kritisiert hatte, erklärte entzürnt: Die neue Ministerin Albuquerque garantiere nicht den von ihm geforderten Kurswechsel.

Mit dem Rücktritt Gaspars geht der EU übrigens ihr bester Verbündeter im Krisenland Portugal verloren. Der parteilose Wirtschaftsprofessor hatte mit der Axt in der Hand alle Sparvorgaben der Gläubiger-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds buchstabengetreu umgesetzt. Seit Amtsantritt vor zwei Jahren galt er als Musterschüler Brüssels. Nun, nach dem Koalitionskrach, steht die Erfüllung der EU-Reformvorgaben in den Sternen.

Portugals Haushaltsdefizit sank unter Sparminister Gaspar von 9,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in 2010 auf 6,4 Prozent in 2012. Gleichzeitig verwandelte er sich wegen der brutalen Einschnitte bei Gesundheitsfürsorge, Schulen, sozialen Leistungen, Renten und bei den Staatsdienern zum meistgehassten Politiker des Landes.

„Der hohe Preis der Kürzungen ist unvermeidbar“, wenn man den öffentlichen Schuldenberg, der inzwischen auf 125 Prozent des BIP anwuchs, abbauen wolle, rechtfertigte er seine Radikalkur. Aber Gaspar gibt sich zum Abschied auch nachdenklich: Die wachsende Not im Land „fordern eine dringende Antwort auf europäischem und nationalem Niveau“. Die seit 2011 schrumpfende Wirtschaft ließ die Arbeitslosigkeit auf inzwischen 18 Prozent klettern. Jede vierte Familie in Portugal gilt als arm.

Wie es nach der Regierungskrise weitergeht, war am Dienstabend zunächst unklar. Die linke Opposition, die auf Neuwahl spekuliert, rieb sich jedenfalls die Hände. Sie  liegt bei allen Wahlumfragen inzwischen vorne. Und die Gerüchte verstummen nicht, dass auch Passos Coelho bald mit seinem Latein am Ende ist und die Brocken hinwerfen könnte.

Zur Startseite