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Politik: Regierung ist ohne Kontrolle - Verfassungsgebende Versammlung entmachtet Parlament endgültig

Der Präsident gab die Schlagrichtung vor: Am Montagabend schnappte sich Hugo Chavez einen Baseballschläger und stellte sich im Regierungsgebäude den wartenden Fotografen mit weitausholender Bewegung. Zwei Türen weiter übernahm zur selben Zeit die ihm hörige neue Verfassungsgebende Versammlung per Dekret alle Funktionen des Kongresses und löste damit das Parlament faktisch auf.

Der Präsident gab die Schlagrichtung vor: Am Montagabend schnappte sich Hugo Chavez einen Baseballschläger und stellte sich im Regierungsgebäude den wartenden Fotografen mit weitausholender Bewegung. Zwei Türen weiter übernahm zur selben Zeit die ihm hörige neue Verfassungsgebende Versammlung per Dekret alle Funktionen des Kongresses und löste damit das Parlament faktisch auf.

Bereits vergangene Woche hatte die vor kurzem gewählte neue Versammlung, in der die Anhänger des linksnationalistischen Präsidenten 121 von 131 Sitzen einnehmen, die Rechte des Kongresses auf wenige Rumpfvollmachten beschnitten. Der Kongress, in dem Chavez Anhänger klar in der Unterzahl waren, hatte in einer stürmischen letzten Sitzung versucht, die Reise des Präsidenten zur Amtseinsetzung der panamaischen Präsidentin Moscoso zu verhindern, um sich wenigstens ein Stückchen symbolischer Macht zu erhalten. Mit überwältigender Mehrheit dekretierte hierauf die Verfassungsgebende Versammlung die völlige Entmachtung des Kongresses.

Dieselben Polizisten, die die Parlamentsabgeordneten noch am Donnerstag daran gehindert hatten, den Kongress zu betreten, mussten ihnen am Montag Schutz vor aufgebrachten Chavez-Anhängern gewähren. Mit roten Fallschirmjägerkäppis auf dem Kopf und Baseballschlägern in der Hand wollte die aufgebrachte Menge vor dem Parlamentsgebäude auf die Abgeordneten losgehen. "40 Jahre Korruption sind genug - Hoch lebe Chavez" skandierten sie. Nach einer jüngsten Umfrage befürworten 54 Prozent der Venezulaner eine Auflösung des wegen Korruption und Vetternwirtschaft in Verruf geratenen Kongresses.

Der Präsident der Verfassungsgebenden Versammlung, Miquilena, der Chavez zu Beginn des Jahres als Innenminister gedient und als einer seiner treuesten Anhänger gilt, erklärte, der Kongress habe "die ihm übertragenen Aufgaben verantwortungslos verweigert. Ab sofort übernimmt die Verfassungsgebende Versammlung alle Funktionen des Parlaments." Damit werden Erinnerungen an den "Selbstputsch" wach, den Perus Präsident Fujimori 1992 inszeniert hatte, als er zuerst das Parlament auflöste und später eine Verfassung schreiben ließ.

Auch in Venezuela soll die neue Verfassungsgebende Versammlung möglichst noch bis November eine neue Verfassung ausarbeiten. Herausragendes Merkmal neben dem neuen Staatsnamen "Bolivarianische Republik Venezuela", mit der Chavez seinem Idol, dem Berfreier Simon Bolivar huldigen will, ist die direkte Wiederwahl des Präsidenten. Zudem möchte Chavez die Richter künftig vom Volk wählen lassen. Vor zehn Tagen bereits hatte die Versammlung den "Justiznotstand" ausgerufen und dem Obersten Gerichtshof sämtliche Kompetenzen entzogen, worauf die höchsten Richter geschlossen zurücktraten., Der Generalsekretär der Oppositionspartei "Accion Democratica", Zambrano, erklärte am Montag, dass der Kongress "tot" sei und sprach von einem "Staatstreich".

Mit Besorgnis nahm Washington die Entwicklung in Caracas zur Kenntnis. Ein Sprecher im Weißen Haus erinnerte die Venezoelaner daran, dass in einem demokratischen System die Machtkontrolle zwischen Parlament, Regierung und Justiz funktionieren müsse. Die USA sind Hauptabnehmer von venezoelanischem Öl.

"Chavez hat sein wahres Gesicht gezeigt", erklärte am Montag abend der venezoleanische Journalist Jerry Suarez, gegenüber dem Fernsehsender CBS in Miami: "Die von ihm angekündigte friedliche Revolution findet mit undemokratischen Mitteln statt.

Martin Arn

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