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Regierung stürzt: Massenproteste in Island erfolgreich

Als Folge der Finanzkrise ist der isländische Premier Geir Haarde am Montag zurückgetreten. Am 9. Mai müssen die Isländer einen Regierung wählen. Island befindet sich vor dem finanziellen Abgrund.

Jetzt sind die guten Zeiten vorbei – für die Wirtschaft der durch die Finanzkrise stark gebeutelten Insel und auch für die Regierung um den konservativen Premier Geir Haarde. Am Montag erklärte er das Ende der großen Koalition, nachdem erst am Freitag Neuwahlen für den 9. Mai ausgerufen worden waren. Am Sonntag hatten bereits Wirtschaftsminister Björgvin Sigurdsson und die Bankenaufsicht den Hut genommen. Island befindet sich vor einem finanziellen Abgrund und die Schuld dafür gibt ein großer Teil der Bevölkerung der Regierung. Viele Isländer sehen in der verfehlten Finanzpolitik einen Grund für den Zusammenbruch des dortigen Bankensystems und forderten vor dem Parlament den Regierungssturz. Premier Haarde selbst leidet an einem ernsten Krebsleiden und hatte bereits in der vorigen Woche angekündigt, bei den Neuwahlen deshalb nicht anzutreten.

Auch die Entscheidung zu Neuwahlen hatte die Massen am Wochenende nicht davon abhalten können, sich zu weiteren Demonstrationen vor dem Parlament in der Hauptstadt Reykjavik zu versammeln. Seit rund einer Woche wird hier jeden Tag protestiert – laut polizeilicher Schätzung allein am letzten Samstag 6000 Menschen. Das ist viel bei einer Gesamtbevölkerung von knapp 320 000 Einwohnern.

Die bevorstehende Wahl wird nicht einfach: Während in Island die EU und die Einführung des Euro in immer weiteren Gesellschaftskreisen als überlebenswichtiger Rettungsanker gesehen wird, ist gerade das Linksbündnis aus seiner politischen Tradition heraus sehr EU-kritisch. Eine Koalition etwa mit den betont EU-freundlichen Sozialdemokraten erscheint deshalb bislang als schwierig. Und die konservative Unabhängigkeitspartei des scheidenden Premiers ist der EU inzwischen ebenfalls nicht abgeneigt.

Ein Paradox liegt darin, dass viele Isländer, die eine Erneuerung wünschen und die alten Machtcliquen in den Ruhestand schicken möchten, zwar gerne die unbelasteten rot-grünen Politiker wählen wollen, aber auch einen schnellen EU-Betritt und die Euroeinführung als neues Aufbruchssignal für Island fordern.

Und die Regierung wird vor einer Mammutaufgabe stehen. Die Schulden der drei größten und zwangsverstaatlichten isländischen Banken sind durch deren aggressive internationale Expansion mit geliehenem Geld so groß, dass sie ein Vielfaches des Staatshaushaltes überschreiten. Nur durch umfangreiche Kredithilfen des IWF und der nordischen Länder konnte der drohende Staatsbankrott im Herbst verhindert werden.

Andre Anwar

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