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Öffentlich sprechen will über die Gespräche zwischen SPD und Unionsparteien niemand. Auch die Kanzlerin nicht.

© Michael Kappeler/dpa/AFP

Regierungsbildung: Besondere Rücksicht auf das Trauma der SPD

Die Union nimmt nach dem ersten Gesprächskontakt viel Rücksicht auf ihre zögernden Ex-Partner.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath

Ganz geheim geblieben ist es dann natürlich trotzdem nicht, das geheime Vorsondierungstreffen von Union und SPD. Aber das Schweigegelübde, das sich Angela Merkel, Horst Seehofer, Martin Schulz und ihre Fraktionschefs beim Treffen im Büro der Unionsfraktion auferlegt hatten, hielten danach alle ein. Über die amtliche Verlautbarung hinaus, dass die zweieinhalb Stunden ein „offenes und vertrauensvolles Gespräch“ gewesen seien, erfuhren selbst die Mitglieder des CDU-Parteivorstands am Donnerstag von ihrer Chefin keine Details.

Die Zurückhaltung ist den schlechten Jamaika-Erfahrungen ebenso geschuldet wie der Rücksicht auf die SPD. Deren Parteispitze will erst an diesem Freitag entscheiden, ob und wie es mit dem nächsten Anlauf zur Regierungsbildung weitergeht. Unter den Sozialdemokraten warten etliche nur darauf, CDU und CSU als unzuverlässige Kumpane hinzustellen. Und Beratungen im CDU-Vorstand sind wegen der vielen undichten Stellen quasi öffentlich. Merkel beließ es also bei allgemeinen Floskeln. Der Vorstand zeigte Verständnis. „Wir halten uns zurück“, versprach Parteivize Julia Klöckner.

Eins allerdings machten Merkel ebenso wie ihr Fraktionschef Volker Kauder intern klar: Die diplomatisch sensible Formulierung im gemeinsamen Kommuniqué mit der SPD, dass die Union bereit sei, „Sondierungen zur Bildung einer stabilen Regierung“ aufzunehmen, war wirklich nur der Rücksicht auf SPD-Chef Schulz und seine Fraktionschefin Andrea Nahles geschuldet. Schulz hatte seinem Parteitag schließlich „ergebnisoffene“ Gespräche versprochen, ausdrücklich mit dem Zusatz, es gebe „keinen Automatismus“ hin zu einer großen Koalition.

Merkel will "stabil" regieren, Schulz "ergebnisoffen" verhandeln

Aber für Merkel wie für Seehofer war und bleibt klar: „stabile Regierung“ meint Koalition, und zwar eine richtige und keine halbe und erst recht keine Minderheitsregierung. Doch solange Merkel und Seehofer dies nur in allgemeiner Form deutlich machen, aber nicht erklären, sie hätten vor wenigen Minuten Schulz und Nahles in einem Gespräch unmissverständlich klargemacht, dass die SPD nur die Wahl zwischen einer großen Koalition und Neuwahlen habe, behält Schulz Handlungsspielraum: Er kann den zahlreichen Skeptikern in den eigenen Reihen weiter versichern, er verhandle „ergebnisoffen“.

Seine Hoffnung ist, dass der Gedanke an andere Formen der Regierungszusammenarbeit mit der Union in seiner traumatisierten Partei nicht die gleichen Abwehrreflexe auslöst wie der an eine Neuauflage der großen Koalition. Schulz setzt dabei auf den Faktor Zeit: Je länger die Gespräche mit der Union dauern, umso mehr Zugeständnisse CDU und CSU in Aussicht stellen, umso eher wird nach dem Ende der Sondierungen dann auch ein SPD-Sonderparteitag im Januar den Weg für Koalitionsverhandlungen freimachen. Es komme nicht auf die Regierungsform an, sondern darum, das Leben der Menschen in Deutschland besser zu machen, hatte Schulz in seinem Schlusswort zum Parteitag vergangene Woche fast beschwörend gerufen.

Der Vorsitzende weiß: Für wichtige Kräfte in seiner Partei ist die Regierungsform zentral. Es dürfe kein „Weiter-so“ geben, warnte etwa Parteivize Ralf Stegner am Mittwoch wieder. Im WDR 2 sagte der Parteilinke, es komme darauf an, ob Merkel „den Mut hat, über andere Modelle zu reden, statt zu sagen: Was kümmert mich das Wahlergebnis, lasst uns einfach wieder in die große Koalition hüpfen.“

Zu den Modellen, die angeblich „das Parlament stärken und kein Weiter-so sind“ (Stegner) gehört die Tolerierung einer unionsgeführten Minderheitsregierung oder die Kooperationskoalition („Koko“), in der die feste Zusammenarbeit nur einige Politikfelder umfasst, während auf anderen wechselnde Mehrheiten möglich sind. Allerdings birgt eine solche Teilkoalition auch Gefahren für die SPD, wie Bundestagsvize Thomas Oppermann warnte: „Bei wechselnden Mehrheiten hat die linke Mitte in einem Bundestag mit einer rechten Mehrheit von über 400 Mandaten wenig zu bestellen“, twitterte der Ex-SPD-Fraktionschef.

Die erste Entscheidung nach dem SPD- Präsidium trifft am Freitag der Parteivorstand. Wenn das 45-köpfige Gremium grünes Licht für weitere Gespräche gibt, dann nur für solche, in denen es nicht um eine große Koalition geht – sondern die weiter „ergebnisoffen“ bleiben.

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