zum Hauptinhalt
Israel designierter Regierungschef hat sich schon vor Amtsantritt viele Gegner gemacht.

© Ronen Zvulun/Reuters

Regierungsbildung in Israel: Letzte Frist für Benjamin Netanjahu

Die Zeit drängt. Nur noch bis Mittwoch um Mitternacht hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Zeit, eine Regierung zu bilden. Doch nach dem Rücktritt von Außenminister Avigdor Lieberman hat sich nun aber auch das nationalistisch-religiöse „Jüdische Heim“ quergestellt.

Benjamin Netanjahu hat allen Grund, nervös zu sein. Der Zeitpunkt, an dem er Staatspräsident Reuven Rivlin mitteilen muss, ob ihm die Regierungsbildung geglückt ist, rückt bedenklich nahe, und noch ist keine Lösung in Sicht. Denn anstatt 67 von 120 Knessetabgeordneten auf eine Regierung von Nationalisten und Religiösen per Koalitionsverträge verpflichtet zu haben, kann er sich bislang nur auf 53 Parlamentarier stützen.

Am Montag hatte ihm Außenminister Avigdor Lieberman mit seiner sechsköpfigen nationalistischen „Israel Beitenu“-Fraktion die Gefolgschaft verweigert, was die nationalreligiöse Partei „Jüdisches Heim“ zum Anlass nahm, mit den – bei den Wahlen erheblich geschrumpften – Muskeln zu spielen, indem es die Koalitionsverhandlungen beendet. Nur im direkten Gespräch zwischen den beiden zerstrittenen Parteichefs Naftali Bennett und Netanjahu könnte noch eine Einigung erzielt werden. Dann käme Netanjahu dank der acht Mandate des "Jüdischen Heim" bis Mittwoch um Mitternacht auf 61 Mandate – also die minimalste absolute Mehrheit.

Schlechte Verhandlungsstrategie

Vor allem seine Verhandlungsführung hat Netanjahu in diese verzwickte Situation gebracht. Seine engsten potenziellen Partner stieß er vor den Kopf, indem er ihnen bei den Verhandlungen keine Priorität gab. Stattdessen kapitulierte er schnell vor den Forderungen der beiden ultrareligiösen Parteien.

Hauptstreitpunkt zwischen Bennett und Netanjahu ist deshalb nun das Religionenministerium, das der amtierende Premier der ultrareligiösen Schas-Partei vertraglich zugesichert hat und in dem diese für ihre Korruption berüchtigte Partei der Sefarden (Juden orientalischer Herkunft) allein herrschen will. Bennett fordert ebenso ultimativ zumindest einen Vizeminister aus den Reihen seiner aschkenasischen (europäischer Herkunft) Partei, um bei der Verteilung von Rabbinerjobs und Millionen mitreden zu können.

 Großes Loch in der Kasse

Apropos Millionen: Das Staatsbudget 2016 weist ein Defizit von 3,6 Milliarden Schekel (830 Millionen Euro) auf. Zudem machte Netanjahu in den Koalitionsverhandlungen zusätzliche verbindliche Zusagen von 11,6 Milliarden Schekel. Wie er dieses Loch von mehr als 15 Milliarden Schekel stopfen will, bleibt ein Rätsel. Denn er hat gleichzeitig versprochen, die Steuerern nicht zu erhöhen. Der neuen Regierung droht demnach – sofern sie doch noch zustande kommen sollte – eine Ablehnung des Staatshaushaltes, was ihrem Sturz noch in diesem Jahr gleichkäme. Nicht nur aus diesem Grund sind etliche in Netanjahus eigener Likud-Partei zur Überzeugung gelangt: "Eine 61er Koalition ist unmöglich."

Gelingt es Netanjahu bis Mittwochnacht nicht, eine regierungsfähige Koalition auf die Beine zu stellen, kann der Staatspräsident irgendeinen anderen der übrigen 119 Knesset-Mitglieder mit der Regierungsbildung beauftragen – nicht aber Netanjahu. Für diesen Fall hält sich Oppositionschef Jitzchak Herzog vom sozialdemokratisch angeführten "Zionistischen Block" bereit. Der hatte bereits angedeutet, eine „nationale Einheits-Regierung“, also eine große Koalition mit dem Likud bilden zu wollen - mit Rotation zwischen Herzog und Netanjahu an der Regierungspitze. Die wahrscheinlichste Alternative dazu wären erneute Neuwahlen im Frühherbst.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false