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Lahore

© AFP

Regierungskrise: Langer Marsch auf Islamabad

Pakistans Demokratie ist in der Krise: Regierungsgegner aus allen Teilen des Landes wollen bis Montag in die Hauptstadt strömen um gegen Präsident Zardari zu protestieren. Hunderte wurden bereits festgenommen. Es drohen blutige Krawalle im instabilen Atomstaat.

Islamabad gleicht einer Stadt im Belagerungszustand. Die Zufahrtsstraßen sind abgesperrt, Soldaten und Polizisten halten sich bereit. Die Regierung von Pakistans Präsidenten Asif Ali Zardari hat Angst. Allerdings dieser Tage weniger vor den Bomben der Terroristen als vor Oppositionschef Nawaz Sharif und Pakistans streitbaren Anwälten. Bei einem „Langen Marsch“ wollen Juristen, Sharif-Anhänger und Regierungsgegner aus allen Teilen des Landes bis Montag in die Hauptstadt Islamabad strömen, um gegen Zardari zu protestieren. Die Kraftprobe könnte den Atomstaat schnell in blutige Krawalle stürzen.

Die von der Bhutto-Partei PPP geführte Regierung will die Proteste offenbar unfein niederhalten. Sie ließ Demonstrationen verbieten und schon im Vorfeld hunderte Aktivisten einsperren. Die Polizei sprach von 500 Festnahmen, Sharif sogar von tausenden. Erinnerungen werden wach werden an das Jahresende 2007, als der damalige Militärherrscher Pervez Musharraf den Notstand verhängte: Wieder knüppeln Polizisten Demonstranten nieder und zerren sie in Polizeiwagen. Wieder müssen führende Politiker und Anwälte untertauchen, um ihrer Festnahme zu entgehen. Straßenküchen wurde sogar untersagt, große Massen zu versorgen.

Der „Lange Marsch“ der Opposition soll am Montag in einem Sitzstreik in Islamabad münden. Trotz des Verbots brachen am Donnerstag in Karatschi und Quetta hunderte Regierungsgegner in Autokonvois auf, um sich nach Islamabad durchzuschlagen. Am Freitag wollen sich Demonstranten in der Provinz Punjab anschließen, später sollten Anwälte, Sharif-Anhänger und Aktivisten aus Kaschmir und der Nordwest-Provinz dazustoßen. Die Regierung wirft Sharif vor, das Land destabilisieren zu wollen. Dieser versichert dagegen, die Proteste würden friedlich bleiben.

Der politische Sturm hatte sich schon länger zusammengebraut. Die Anwälte, die den Widerstand gegen Musharraf angeführt hatten, fühlen sich von Zardari betrogen und hintergangen. Sie verlangen, dass dieser endlich sein Versprechen erfüllt, den im November 2007 von Musharraf geschassten, unabhängigen Chefrichter Iftikhar Chaudhry wiedereinzusetzen.

Chaudhry hatte es gewagt, Musharraf zu trotzen, und war deshalb zum Volkshelden aufgestiegen. Entgegen seiner Zusage hat Zardari auch die unappetitliche Machtfülle des Präsidentenamtes nicht beschnitten. Nun hat der Bhutto-Witwer in einer Art Putsch auch noch Sharif in seiner Hochburg Punjab entmachtet: In der Provinz hat Zardari der Muslim-Liga von Sharif die Regierung entzogen und einen willigen Parteigenossen als Verwalter eingesetzt.

Für Zardari und Sharif steht nun sehr viel auf dem Spiel, möglicherweise sogar ihr politisches Überleben. „Allah hat die Entscheidung, das Schicksal Pakistans zu ändern, in eure Hände gelegt“, rief Sharif bei einer Kundgebung den Massen zu. Um den Unmut noch anzuheizen, warf er der Regierung in Islamabad vor, ihn ermorden lassen zu wollen. Sharif ist weitaus beliebter im Volk als der Bhutto-Witwer. Die USA hatten allerdings nach den Wahlen Zardari protegiert, weil Sharif den Islamisten näher steht.

Ein Jahr nach den Wahlen sieht es also nicht gut aus für Pakistans geschundene Demokratie. Zardari sei nicht besser als Musharraf, klagen selbst Gefolgsleute der Bhutto-Partei PPP, an deren Spitze Zardari nun steht. Auch die „Daily Times“ kritisiert: „In einer Demokratie, selbst einer so ramponierten und chaotischen wie der unseren, haben die Bürger das Recht, friedlich zu protestieren.“ Auch in Washington und im Nachbarland Indien ist man über die Konfrontation besorgt. Man fürchtet, dass die Machtprobe das Land weiter destabilisiert und den Terroristen in die Hände spielt.

Die USA bemühten sich, zwischen Zardari und Sharif zu vermitteln. Der US-Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, Richard Holbrooke, telefonierte mit Regierungschef Syed Yousaf Raza Gilani, während sich die amerikanische Botschafterin Anne Peterson mit Sharif traf. Wer aus dem Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem Oppositionschef als Sieger hervorgeht, dürfte sich erst in den nächsten Tagen klären. Viel hängt davon ab, auf wessen Seite sich Regierungschef Gilani und Armeechef Ashfaq Kayani stellen. Gilani, der lange nur als Marionette Zardaris galt, wird zusehends zum eigenen Machtfaktor. Angeblich drängt er Zardari, sich mit Sharif zu versöhnen.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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