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Bald nicht mehr: Eine Europafahne weht in Westminster.

© dpa

Regierungspapier zum Brexit: Theresa May will gar nicht so weit weg von der EU

Das "White Paper" der britischen Regierung zum EU-Austritt betont die Nähe zu Europa - bestimmte Binnenmarkt-Vorteile sollen weiter gelten, die Beziehungen so eng wie möglich bleiben.

Großbritannien will eine möglichst reibungslose Trennung von der Europäischen Union. Ein harter Bruch – das Stürzen über den „Klippenrand“ – soll vermieden werden. Das geht aus dem mit Spannung erwarteten Bericht hervor, den Premierministerin Theresa May am Donnerstag in London vorlegte und in dem die Austrittspolitik der konservativen Regierung konkreter als bisher skizziert wird. Es sei im Interesse beider Seiten, eine „neue strategische Partnerschaft“ einzugehen. Um das zu unterstreichen, wird die enge wirtschaftliche Verknüpfung der Insel mit dem Kontinent betont: Das Vereinigte Königreich habe 2015 Waren und Dienstleistungen im Wert von 230 Milliarden Pfund in die EU exportiert und im Wert von 290 Milliarden Pfund eingeführt. Angestrebt wird neben einem umfassenden Freihandelsvertrag auch eine neue Zollvereinbarung.
Wie May schon in ihrer Grundsatzrede vor zwei Wochen klargestellt hatte, strebt Großbritannien keine weitere Mitgliedschaft im EU-Binnenmarkt an. Die europäischen Partner hatten stets deutlich gemacht, dass diese Mitgliedschaft nicht zu haben ist ohne die weitere Anerkennung der Freizügigkeit von EU-Bürgern. May gibt jedoch der Zuwanderungskontrolle den Vorrang, was die enge Einbindung in den Binnenmarkt ausschließt. Das bedeutet, dass die von London angestrebten Handels- und Zollvereinbarungen nicht den Grad an Freiheit haben werden, den in Großbritannien ansässige Firmen bisher im Handel mit den EU-Staaten genießen.

Möglichst reibungsloser Handel

Das Regierungspapier macht deutlich, dass die Briten aber möglichst nahe am bisherigen Status bleiben möchten. In einigen Wirtschaftsbereichen, heißt es ohne nähere Bezeichnung, könnten die bisherigen Binnenmarktregeln weitergeführt werden. Offenkundig geht es der May-Regierung darum, die europaweiten Liefer- und Fertigungsketten, etwa in der Automobilindustrie, nicht zu kappen. Die Gefahr aus britischer Sicht bei einem harten Bruch ist die Abwanderung von Produktionsstätten auf den Kontinent. Ein möglichst reibungsloser Handel mit der EU auch in Zukunft bedeutet natürlich, dass Großbritannien dann die Produktstandards der EU weitgehend anerkennen wird. Allerdings will man für den Fall von Streitigkeiten sich nicht der EU-Gerichtsbarkeit unterwerfen, sondern dafür eine neue Instanz schaffen, wie sie in bilateralen Handelsverträgen (wie etwa der Ceta-Vereinbarung der EU und Kanadas) üblich sind. Auch bei den Finanzdienstleistungen, angesichts der Bedeutung der Londoner City der wesentliche Faktor in einem künftigen Abkommen, ist die britische Regierung um möglichst viel Zugang zum EU-Markt bemüht. Herausgestellt wird, dass derzeit 75 Prozent der Kapitalmarktgeschäfte in der EU über den britischen Finanzplatz abgewickelt werden. Der Befürchtung, dass die mit der Finanzkrise verschärften Regulierungen des Finanzsektors nach einem EU-Austritt deutlich gelockert werden könnten, hält das „White Paper“ entgegen, dass man eine weiterhin „starke kooperative Aufsicht“ über die Finanzmärkte etablieren wolle und sich auch an die internationalen Standards halten werde.

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