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Im Angesicht der Niederlage: Die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, am Sonntagabend im nordfranzösischen Hénin-Beaumont.

© AFP

Regionalwahlen in Frankreich: Der Front National - der unheimliche Dritte

Der Front National musste sich bei der Regionalwahl in Frankreich geschlagen geben. Das darf aber nicht über die Stärke der Rechtspopulisten hinwegtäuschen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Frankreich hat sich entschieden – gegen den Front National. Bei der Regionalwahl im Nachbarland, auf die ganz Europa gebannt starrte, ist den Franzosen eine Wiederholung des Schocks aus der ersten Runde erspart geblieben. Sie selbst, die Wähler, haben dafür gesorgt, dass der rechtspopulistische Front National keine einzige Region in Frankreich erobern konnte. Statt ihre Region in die Hände der Rechtspopulisten zu geben, stimmten sie lieber für die Kandidaten der konservativen Republikaner oder der in Paris regierenden Sozialisten.

Dennoch wissen die beiden Parteien, die jahrelang quasi im Alleingang die Geschicke Frankreichs bestimmten, dass sie nicht zur Tagesordnung übergehen können. Mit dem Front National ist über die Jahre in Frankreich eine dritte politische Kraft entstanden, die sich nicht mehr ignorieren lässt – trotz des glimpflichen Ausgangs der Regionalwahl.

Zwar haben auch diese Regionalwahlen wieder gezeigt, dass der Front National in den Augen einer Bevölkerungsmehrheit trotz aller Entteufelungs-Versuche ihrer Vorsitzenden Marine Le Pen keine Partei wie jede andere ist. Der Front National ist weiterhin eine Partei mit Paria-Charakter. Wo sich den anderen beiden großen Parteien Möglichkeiten für Wahlbündnisse bieten, die auch in der entscheidenden zweiten Runde der Regionalwahl eine „republikanische Front“ gegen die Rechtspopulisten ermöglichten, da steht die Partei von Marine Le Pen isoliert da.

Regionalwahl mobilisierte mehr FN-Wähler als die Präsidentschaftswahl 2002

Dennoch bleibt die Entwicklung, die sich im Nachbarland schon seit Jahren abzeichnet, beunruhigend. Der Front National, der seinen politischen Durchbruch schon in den Achtzigerjahren unter dem Parteigründer Jean-Marie Le Pen erreichte, hat nach und nach immer breitere Wählerschichten erschlossen. In den achtziger Jahren waren es Kleinunternehmer, Handwerker und Ewiggestrige, die die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonie Algerien nicht hinnehmen wollten und sich den Rechtsextremen zuwandten.

In den neunziger Jahren waren es dann Neuwähler aus dem Arbeitermilieu, die sich auf einmal dem Front National zuwandten. Inzwischen ist Jean-Marie Le Pen aus der Partei ausgeschlossen, und seine Tochter Marine gilt inzwischen für noch breitere Schichten als wählbar – und zwar nicht nur in den klassischen Hochburgen der Partei im Norden, Osten und Südosten des Landes.

Wie stark der Front National in den vergangenen zwei Jahrzehnten geworden ist, zeigt allein schon ein Blick auf den Ausgang der aktuellen Regionalwahl. In der zweiten Runde bei dieser Wahl, die eher eine untergeordnete Rolle spielt, gaben nicht weniger als 6,8 Millionen Franzosen der Partei von Marine Le Pen ihre Stimme. Zum Vergleich: Bei der Stichwahl für das Präsidentenamt – der wichtigsten politischen Personalie in Frankreich – votierten seinerzeit in Frankreich im Jahr 2002 5,5 Millionen für den Parteigründer Jean-Marie Le Pen.

Von Wahl zu Wahl bekommt der Front National mehr Stimmen

Die Erleichterung, die bei den Republikanern und den Sozialisten angesichts des Ausgangs der Regionalwahl herrscht, kann also nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Front National im Vergleich der jeweiligen Wahl-Kategorien – auf Gemeinde-, Départements- oder auf Regionalebene – in den letzten Jahren immer stärker geworden ist.

Marine Le Pen dürfte vor der Präsidentschaftswahl 2017 alles daran setzen, sich und ihre Partei als Opfer eines Mehrheitswahlsystems darzustellen, das einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung nicht zum Zuge kommen lässt. Es sind jene Franzosen, die – häufig abseits der großen Metropolen – auf der Seite der Globalisierungs-Verlierer stehen. Es sind jene Franzosen, die unter einer Arbeitslosigkeit leiden, die so hoch ist wie seit 18 Jahren nicht mehr. Diese Franzosen sind es, denen die Sozialisten und die seit Sonntag in sieben Großregionen regierenden Konservativen jetzt dringend eine Perspektive geben müssen. Sonst erlebt Frankreich bei den Präsidentschaftswahlen 2017 seinen nächsten Schock.

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