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Politik: Rekordstrafe gegen Siemens

Konzern muss wegen illegaler Preisabsprachen 419 Millionen Euro bezahlen / Heute Hauptversammlung

München/Berlin - Der vom Schmiergeldskandal erschütterte Siemens-Konzern gerät immer stärker unter Druck. Jetzt hat die EU-Kommission den Münchner Elektronikkonzern wegen illegaler Preisabsprachen im Energieanlagenbau zu einer Geldbuße von knapp 419 Millionen Euro verurteilt. Das Bußgeld für Siemens sei das höchste in der Geschichte der Europäischen Union für ein einzelnes Unternehmen für einen einzigen Kartellverstoß, berichteten die EU-Wettbewerbshüter am Mittwoch in Brüssel.

Damit verschärft sich die Situation für Vorstandschef Klaus Kleinfeld und seinen Vorgänger und jetzigen Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich von Pierer erneut. Seit Sommer vergangenen Jahres folgt eine negative Nachricht auf die andere: Erst kam im Sommer die Pleite der an den asiatischen Konzern BenQ abgegebenen früheren Handysparte, dann die Ankündigung einer kräftigen Gehaltserhöhung für den Vorstand, die heftige Empörung auslöste. Im November folgte dann die aufsehenerregende Razzia an 30 Standorten des Konzerns. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines Systems schwarzer Kassen im Konzern, aus denen Schmiergelder zur Gewinnung von Aufträgen im Ausland gezahlt worden sein sollen. Siemens selbst hat inzwischen Zahlungen in Höhe von rund 420 Millionen Euro als dubios eingestuft. Sogar bis in den Zentralvorstand hinein, sollen Manager des Konzerns von den Schmiergeldzahlungen gewusst haben.

Inzwischen musste der Konzern seinen Gewinn aus dem abgelaufenen Geschäftsjahr bereits reduzieren. Zwar kündigte Siemens am Mittwoch sofort nach ergangenem Bescheid eine Klage gegen die Geldbuße an. „Wir halten die verhängten Bußgelder für absolut überzogen und können sie überhaupt nicht nachvollziehen“, sagte der Chef des betroffenen Siemens- Bereichs Energieerzeugung und -verteilung, Udo Niehage. Doch die Klage hat keine aufschiebende Wirkung, so dass sich die Geldbuße sofort im Quartalsergebnis niederschlagen wird.

Die Reaktion der erzürnten Aktionäre auf Pleite, schwarze Kassen und die Strafe aus Brüssel werden Kleinfeld und Pierer auf der am heutigen Donnerstag in München stattfindenden Hauptversammlung direkt erleben können.

„Immer wenn man denkt, jetzt hat sich Siemens etwas berappelt, kommt der nächste Nackenschlag“, sagte Aktionärsschützerin Daniela Bergdolt der dpa. Als Vertreterin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) wird sie auf der Hauptversammlung vor mehr als 10 000 Aktionären sprechen. Franz Maget, bayerischer SPD-Landtagsfraktionschef, sagte, es sei „bedauerlich, dass für die Fehler und Versäumnisse des Managements am Ende die Arbeitnehmer und Aktionäre die Zeche zahlen müssen.“ Preisabsprachen und Korruption seien „keine Kavaliersdelikte. Sie müssen rückhaltlos aufgeklärt und für die Zukunft ausgeschlossen werden.“

Die Skandale haben dem Image des früheren deutschen Prestige-Unternehmens schwer geschadet. „Nach jahrelanger öffentlicher Zustimmung scheint das Vertrauen in das Unternehmen und sein Management erschüttert, in der öffentlichen Meinung stehen das Traditionsunternehmen und der Vorstandschef Klaus Kleinfeld als skrupellose Geschäftemacher da“, lautet das Fazit einer Studie des Kommunikationswissenschaftlers Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim. Bei seinem Amtsantritt 2005 sei Kleinfeld noch als Hoffnungsträger gesehen worden.

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