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Rekrutierung von Jugendlichen: Neonazis erobern Facebook & Co

Rechtsextreme nutzen zunehmend subtilere Methoden, um Jugendliche im Internet zu erreichen. Besonders beliebt: Raffinierte Annäherungsversuche über die sozialen Kanäle wie Facebook und Co.

Um Jugendliche anzusprechen, nutzen Rechtsextreme immer offensiver Facebook, Twitter und Youtube. Das ergab eine Recherche von „jugendschutz.net“, einer länderübergreifenden Stelle für Jugendschutz im Internet, deren Ergebnisse am Dienstag in Berlin vorgestellt wurden. Jugendschutz.net verzeichnete im vergangenen Jahr etwa 1500 rechtsextreme Websites – ein leichter Rückgang im Vergleich zu 2011 –, die Zahl der Social-Media-Beiträge hingegen stieg um fast die Hälfte auf 5500. Auch ins mobile Web dringen die Rechtsextremen vor, etwa mit Smartphone-Apps. Zwei Tendenzen lassen sich ablesen: Einerseits gebe es, vor allem auf ausländischen Plattformen, mehr Brutalität – Tötungsvideos und unverhohlene Gewaltaufrufe – als früher, sagte Stefan Glaser, Leiter des Arbeitsbereichs politischer Extremismus von jugendschutz.net.

Andererseits gehen die Rechtsextremen bei der Rekrutierung von Jugendlichen immer raffinierter vor. Statt auf „pure, plumpe Propaganda“ setzten sie auf harmlos wirkende Angebote, sagte Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, die jugendschutz.net unterstützt. Selbst für Erwachsene sind diese oft nicht sofort als rechtsextrem erkennbar. Besonders eine Gruppe, die sich selbst „Identitäre Bewegung“ nennt, setzt Glaser zufolge auf diese Methode. Die „Identitären“ distanzieren sich mit Slogans wie „100% identitär, 0% rassistisch“ nach außen hin von Neonazis und verwenden für ihre Propaganda Elemente der Populärkultur; zuletzt starteten sie eine „Solidaritätsaktion für Hochwasseropfer“.

„Sie sprechen das Rebellentum in den Jugendlichen an und gerieren sich als Menschenfreunde“, sagte Glaser. „Dass sie der NS-Ideologie verhaftet sind, sieht man den Angeboten nicht an.“ Glaser findet diese Entwicklungen besonders besorgniserregend: „Je niedrigschwelliger die Angebote der Rechtsextremen sind, je näher an der Lebenswelt der Jugendlichen und je besser auf ihr Nutzungsverhalten abgestimmt, desto effektiver sind sie.“

Neben den großen sozialen Netzwerken sei vor allem das russische Portal „VK“ bei Rechtsextremen beliebt, sagte Krüger. Die Zusammenarbeit mit den Plattformen habe sich verbessert, diese würden extreme Inhalte mittlerweile oft innerhalb weniger Stunden löschen – allerdings würden sie meist bald erneut im Netz auftauchen. Zu lasch reagiere Facebook, wenn sich volksverhetzende Inhalte als Humor tarnten, was immer öfter vorkomme, sagte Glaser. Nicht alle rechtsextremen Onlineangebote sind strafrechtlich relevant, und oft sind die Urheber unbekannt. „Auf der Straße gibt es Gegendemonstrationen, im Netz fehlt eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema“, sagte Krüger. Die User müssten aktiver gegen Rechtsextremismus im Web vorgehen, daher sei auch „Steuergeld für mehr politische Bildung“ nötig.

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