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Religiöse Beschneidung: Gesucht: Ein Gesetz, das es allen recht macht

Bundestag und Regierung zögern inzwischen mit einem Gesetz zur religiösen Beschneidung. Unter Juristen gibt es dafür unterschiedliche Ideen - und aus religiöser Sicht wenig Spielraum, meint die Rabbinerin und Ärztin Antje Yael Deusel.

Ein Gesetz, das Muslimen und Juden die Beschneidung ihrer Söhne ausdrücklich erlaubt – bis vor wenigen Tagen sah es so aus, als werde es damit sehr rasch gehen. Doch inzwischen mehren sich die Stimmen in Bundestag und Regierung, die zu weniger Eile mahnen – oder gar meinen, man könne auf ein Gesetz trotz des Kölner Urteils verzichten. Aus dem FDP-geführten Justizministerium hieß es letzte Woche, ein gesondertes Gesetz werde es nicht geben. Zuvor hatte es aus den Reihen der Linkspartei, der Grünen und der SPD Bedenken gegen „ein Hauruck-Verfahren“ (Grünen-Fraktionschefin Renate Künast) gegeben.

Das Kölner Landgericht hatte am 7. Mai in einem Wochen später bekannt gewordenen und seitdem heiß diskutierten Urteil festgestellt, dass Beschneidung eine strafbare Körperverletzung sei, wenn es keine medizinischen Gründe für sie gebe – also eine Vorhautverengung –, sondern wenn sie religiös begründet werde. Angeklagt war ein Arzt. Bei einem Kind muslimischer Eltern, das er beschnitten hatte, hatte es Komplikationen durch Nachblutungen gegeben. Der Arzt wurde freigesprochen, weil er nach den Worten der Richter nicht wissen konnte, dass er sich strafbar machte.

Die Experten im Justizministerium rätseln nun noch, ob sie die Sache im Strafrecht oder im Familienrecht lösen sollen. Auch die Frage des Konflikts zwischen zwei Grundrechten – Religionsfreiheit und Unversehrtheit des Körpers – ist noch ungeklärt. Einen Vorschlag dazu hat der Göttinger Jurist und Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der evangelischen Kirche, Hans Michael Heinig, gemacht. Er schlägt vor, jenes „Gesetz über die religiöse Kindererziehung“ von 1921 zu ergänzen, wo bereits der Konflikt zwischen der Religionsfreiheit des Kindes und dem Erziehungsrecht der Eltern ausgetragen wird. Dort könne man festlegen, dass das religiöse Erziehungsrecht auch Beschneidungen umfasst, vorausgesetzt, sie werden von medizinisch qualifiziertem Personal nach den Regeln der Kunst ausgeführt.

Unter Kollegen des Religionsverfassungsrechtlers wird die ausdrückliche Regelung durch ein Gesetz allerdings auch mit gemischten Gefühlen gesehen. Das Kölner Urteil ist nicht allgemeinverbindlich; würden es muslimische und jüdische Eltern und betroffene Ärzte auf neue Prozesse ankommen lassen, wäre auch so eine dauerhafte Klärung der Frage möglich. Und die Diskussion in den Gemeinden von Juden und Muslimen selbst könnte weitergehen.

Video-Interview zur Bedeutung der Beschneidung im Islam

Ärzte sind verunsichert und fordern eine schnelle Entscheidung.

Antje Yael Deusel, studierte Urologie-Ärztin und seit drei Wochen auch Rabbinerin der Bamberger jüdischen Gemeinde, hofft dagegen auf eine gesetzliche Regelung, nicht sofort und im Hauruckverfahren, „aber auch nicht erst in zehn Jahren“. Ohnehin sind Juden vom Kölner Urteil unmittelbarer betroffen. Bei ihnen ist die Beschneidung männlicher Säuglinge bis zum achten Lebenstag vorgeschrieben, während es für Muslime keine klare Altersgrenze gibt und die Kinder in der Regel keine Kleinkinder mehr sind, wenn sie beschnitten werden. Deusel leidet wie ihre Kollegen im Krankenhaus darunter, dass es zurzeit „überhaupt keine Rechtssicherheit“ gebe. Die Berufsverbände der Ärzte rieten seit dem Kölner Urteil von religiös motivierten Beschneidungen ab, aber auch bei allen anderen zu äußerster Vorsicht. „Wir müssen im Augenblick alle wegschicken“, sagt Deusel. Darunter seien auch kleine Jungen, bei denen eine Beschneidung medizinisch zwar positiv wäre, aber nicht zwingend nötig – obwohl sie sich später zu einem absolut notwendigen Eingriff auswachsen könne.

Die Debatte um das Beschneidungsurteil in Bildern:

Wenn in einem Gesetz dagegen eine medizinische Ausbildung für den Eingriff vorgeschrieben würde, „dagegen haben wir gar nichts“, sagt Deusel. Schon jetzt seien auch Beschneider, die nicht approbierte Ärzte seien, gut ausgebildet und durch tausende Eingriffe erfahren. Von der theologischen Seite aus sieht sie wenig Spielraum: Es gehe hier nicht um ein Ritual, das man durch andere symbolische Handlungen ersetzen könne, sagt Deusel, die über das Thema die Abschlussarbeit ihrer Rabbinerausbildung geschrieben hat. Es gehe um das Ergebnis, das „Beschnittensein“.

Und da gibt es auch keinen Rabatt in Zentimetern entfernter Vorhaut. Als Ärztin hält Deusel wegen des unschönen Ergebnisses wenig von Teilbeschneidungen. Als Theologin weist sie die These zurück, die vollständige Zirkumzision sei nicht biblisch begründet und eine Entwicklung erst der letzten Jahrhunderte: „Es wurde schon immer vollständig entfernt.“

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