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Alles frisch. Renate Künast, hier auf einem Berliner Wahlplakat von 2011, will noch einmal kämpfen. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

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Renate Künast: Erholt von der Niederlage

Renate Künast ist nach ihrem Berliner Wahldebakel wieder eine Kandidatin für das grüne Spitzenteam. Die Parteifreunde haben ihr ihre Fehler inzwischen verziehen.

Von Sabine Beikler

Renate kämpft. Dieser Slogan prangte vor einem Jahr auf dem Wahlplakat, mit dem die Grünen in Berlin die heiße Phase des Wahlkampfs einläuteten. Viel geholfen hatte der Spitzenkandidatin Renate Künast der Spruch nicht mehr. Die Abgeordnetenhauswahl missriet, die Grünen fielen weit hinter ihre Erwartungen zurück. Jetzt tritt Künast wieder an als eine der Kandidatinnen für das Spitzenteam zur Bundestagswahl. Inzwischen hat man ihr in Berlin die Fehler verziehen.

Künast kann auf die Unterstützung ihres Landesverbandes setzen. „Die Basis hat die Wahl zwischen vielen geeigneten Spitzenkandidaten. Dazu zählt auch Renate Künast“, sagt Landeschef Daniel Wesener. Auch der Kreuzberger Parteilinke Dirk Behrendt sagt über die Berliner Bundestagsabgeordnete, dass Künast eine „sehr respektable Person“ sei. Und bei den Realos ist der Groll über Künast inzwischen auch abgeebbt. Bei der Listenaufstellung der Berliner Grünen im kommenden Februar gilt sie auf Platz eins gesetzt – vorausgesetzt, Künast gehört der Spitze an, die die Grünen in den Bundestagswahlkampf führen wird.

Vor etlichen Monaten dagegen war von Solidarität oder Unterstützung nichts mehr zu erkennen. Die Realos auf Bundesebene starteten eine Demontage auf Raten und wollten Künast künftig politisch verhindern. Der Ärger über die Spitzenfrau war immens. Künast ließ nach der verpatzten Berlin-Wahl Selbstkritik vermissen. Und nach dem Wahldesaster verlangten ihr Ko-Vorsitzender Jürgen Trittin und sie, man solle die Option Schwarz-Grün beenden. Grünen-Politiker aus Sachsen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein waren darüber empört und pochten auf den beschworenen Kurs der Eigenständigkeit, den die Grünen 2009 mit großer Mehrheit beschlossen hatten.

Es wird wohl auf eine Urwahl hinauslaufen

Der Unmut zeigte sich offen auf Landesebene. Ende März tat sich vor Künast bei der Wahl zum Parteirat des Berliner Landesverbands ein politischer Abgrund auf. Beim ersten Wahlgang fiel die bisherige Frontfrau der Realos brutal durch. Erst beim zweiten Mal erreichte sie die nötigen Stimmen. Dieses Abstrafen kommentierte sie damals mit den Worten: „Ich glaube, ich habe verstanden. Das war eine Botschaft für Dinge, die im Wahlkampf falsch gelaufen sind.“ Sie startete danach eine Tour durch die Berliner Bezirke, diskutierte viel mit der Parteibasis und machte den verlorenen Boden wieder gut.

Das gilt nicht nur für den Berliner Landesverband. „Die Debatte nach der Berlin-Wahl hat in anderen Bundesländern gar nicht so sehr nachhaltig gewirkt“, sagt ein grüner Spitzenmann. Künast sei inhaltlich breit aufgestellt und habe ihren guten Ruf als frühere Verbraucherschutzministerin bewahrt.

Das weiß auch die baden-württembergische Realo-Fraktion mit dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer an der Spitze, der die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring–Eckardt als Realo-Kandidatin favorisiert. Als Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland würde sie möglicherweise neue Wählerschichten erschließen. Würde es nun aber zur Urwahl der Parteibasis über das künftige Spitzen-Duo kommen, hätte Göring-Eckardt wohl kaum Chancen gegen die populärere Künast oder Parteichefin Claudia Roth, die ebenfalls kandidiert.

„Durchschaubar“ sei deshalb das Ansinnen von Palmer und anderen, statt einer Urwahl für ein Duo ein Team zu bilden, sagen Realos und Linke. Es wird wohl auf eine Urwahl hinauslaufen. Trittin hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er die Teamidee als Verlegenheitslösung betrachtet. Künast dürfte eine Urwahl auch favorisieren. Und Roth hat bereits erklärt, dass eine Urwahl „gut zum Stil unserer Partei passt“.

Jetzt ist der Bundesvorstand gefordert. Aus allen Landesverbänden hört man, dass die Parteispitze „endlich Vorschläge zum Verfahren“ machen solle. Man sei über das Hinhalten „äußerst genervt“, sagt ein Spitzenpolitiker. Der Bundesvorstand hätte schon vor der Sommerpause agieren können. Spätestens am 2. September wird der kleine Parteitag in Berlin über die Kandidatenfrage entscheiden.

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