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Politik: Rendezvous ohne Termin

Europa tut sich schwer mit einem klaren Beitrittsplan für die Türkei

Wie hältst du es mit der Türkei? Unmittelbar vor dem EU-Gipfel von Brüssel ist auch diese Frage ins Zentrum geraten. Der Druck auf die europäischen Mitgliedstaaten hat zugenommen, ein Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu nennen. Darauf drängen zum einen die USA. Aber auch die Türkei wird deutlich: Der türkische Botschafter in Brüssel kündigte bereits eine neue Eiszeit für den Fall an, dass sich die Staats- und Regierungschefs nicht spätestens im Dezember in Kopenhagen zu einem Datum durchringen.

Schon im Dezember 1997 brach die Türkei den Dialog mit Brüssel für mehrere Monate ab, nahm dann die Kontakte aber wieder auf. Als vorläufig höchste Eskalationsstufe behält sich die Türkei die Annexion des türkischen Teils Zyperns vor. Die administrativen Grundlagen dafür existieren bereits: Das türkische Innenministerium verfügte jetzt, dass die türkischen Zyprioten in der Türkei keine Aufenthaltserlaubnis mehr brauchen.

Die EU-Außenminister debattierten zu Beginn der Woche verschiedene Möglichkeiten für den Umgang mit den türkischen Forderungen nach der Festlegung eines Datums für die Beitrittsverhandlungen. Griechenland, Großbritannien und Spanien traten dem Vernehmen nach dafür ein, in den Schlussfolgerungen des Brüsseler Gipfels ein Datum zu nennen.

Einige andere Mitgliedstaaten sprachen sich für die so genannte Rendez-vous-Klausel aus – was bedeutet, dass ein Datum festgesetzt wird, an dem wiederum der Termin für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen bekannt gegeben werden soll. Wieder andere – vor allem die Skandinavier - plädierten für die Beibehaltung des Status quo, das heißt die Überprüfung der Lage in den jährlichen Fortschrittsberichten der Kommission.

Für keinerlei Festlegung traten in den Verhandlungen dem Vernehmen nach auch die deutschen Vertreter ein. Allerdings wird angesichts der amerikanischen Forderung, Deutschland solle den Beitritt der Türkei unterstützen, gespannt beobachtet, ob die Bundesregierung bei dieser Position bleibt.

In Berlin bekräftigte die CDU/CSU vorsorglich ihre Ablehnung eines türkischen EU-Beitritts. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagte, die Aufnahme eines Landes von der Größe der Türkei sei „nicht finanziell verdaubar“. Die Türkei gehöre auch zu einem „anderen kulturellen Raum“, sagte Glos am Donnerstag in Berlin.

Unterdessen sind Europa-Gegner in Ankara offenbar dabei, die Unterstützung der rot-grünen Bundesregierung für das türkische EU-Streben zu konterkarieren. An jenem Tag, an dem die Bundesregierung durchblicken ließ, dass sie sich für die Türkei einsetzen will, beantragte die Staatsanwaltschaft in Ankara 15 Jahre Haft für Vertreter der deutschen parteinahen Stiftungen in der Türkei. Die Stiftungsvertreter müssen sich wegen Spionage verantworten. Nach Einschätzung aus diplomatischen Kreisen könnte das Verfahren die deutsche Unterstützung für Ankara „aus der Bahn werfen".

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