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Sarkozy

© AFP

Rente: Methode Sarkozy

Frankreichs Präsident will Frührenten bei Staatskonzernen kippen, aber dabei auf Gewerkschaften hören. Denn das Thema bietet eine enorme Sprengkraft. Doch Frankreich leistet sich die Frühverrentung teilweise schon mit 55 Jahren und zahlt dafür jedes Jahr kräftig drauf.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hat am Dienstag eine Reihe sozialpolitischer Reformen angestoßen, die er während des Wahlkampfs im Frühjahr angekündigt hatte. In einer mit großem Interesse erwarteten Rede sprach er sich in Paris für eine weitere Lockerung der 35-Stunden-Woche aus. Gleichzeitig gab er den Startschuss für eine umstrittene Teilreform des Rentensystems. Dabei nannte Sarkozy eine Reform der Sonderrentenkassen als Priorität. Diese Kassen erlauben es Mitarbeitern der Eisenbahn, der Pariser Verkehrsbetriebe und anderer öffentlicher Unternehmen, mit kürzeren Beitragszeiten schon ab 55 Jahren in Rente zu gehen. Betroffen sind 500 000 Beschäftigte und 1,1 Millionen Pensionäre, deren Rentenkassen mit fünf Milliarden Euro im Jahr vom Staat bezuschusst werden.

Sarkozy bemühte sich in seiner Rede, gegenüber den Gewerkschaften gemäßigt aufzutreten. Er ließ zwar keinen Zweifel daran, dass er die Reformen rasch verwirklichen wolle. Er unterstrich dabei aber mehrmals die Notwendigkeit, dies auf dem Weg des Dialogs mit den Sozialpartnern zu tun. Vergangene Woche hatte Premierminister François Fillon die Gewerkschaften mit der Ankündigung gegen sich aufgebracht, die Reform der Sonderkassen sei „fertig ausgearbeitet“, und es bedürfe nur noch der endgültigen Zustimmung des Präsidenten. Mehrere Gewerkschaftsführer hatten darauf Sarkozy vor einem „Kraftakt“ gewarnt. Der Präsident hatte darauf den Regierungschef öffentlich zurückgepfiffen. Sarkozy erklärte, dass „ein bisschen Methode nicht der Lösung des Problems“ schade. Während des Wochenendes hatte Sarkozy die Gewerkschaftsführer einzeln zu Konsultationen empfangen. Die Gewerkschafter sprachen sich danach dafür aus, das System der Sonderkassen „weiterzuentwickeln“. Darüber sollte jedoch in jedem der betroffenen Unternehmen verhandelt werden.

Die Vorsicht, mit der Sarkozy zu Werke geht, kommt nicht von ungefähr: Im Herbst 1995 hatte der damalige konservative Premierminister Alain Juppé mit einem aus heiterem Himmel unternommenen Versuch zur Reform der Sonderkassen Schiffbruch erlitten. Mit wochenlangen Streiks legten die Beschäftigten der Pariser Transportbetriebe, denen sich dann auch die Eisenbahner sowie Angehörige anderer öffentlicher Untermnehmen anschlossen, damals den Verkehr lahm, bis die Regierung ihr Reform Vorhaben schließlich zurückzog. Juppé waren damals wegen seiner Unnachgiebigkeit selbst von Parteifreunden schwere Vorwürfe gemacht worden. Juppés Versagen bezeichnete Sarkozy später als eine der Ursachen der Lähmung während der Präsidentschaft seines Vorgängers Jacques Chirac.

Sarkozys neuer Anlauf steht politisch unter einem günstigeren Stern. Zum einen findet er für die im Wahlkampf angekündigten Reformen weiter Zustimmung bei der Bevölkerung. 69 Prozent lobten die Reform der Sonderkassen nach einer neuen Umfrage als „mutig“. Ebenso viele räumen allerdings auch ein, dass sie wegen möglicher Streiks „riskant“ sei. Der zweite Faktor, der Sarkozys Vorhaben begünstigt, ist die Schwäche der oppositionellen Sozialisten. Sie haben sich von ihrer Niederlage immer noch nicht erholt – und können der Notwendigkeit der Reform im Grunde nicht widersprechen.

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