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Alternde Gesellschaft: Renten-Mythen

Die alternde Gesellschaft erscheint als Horrorvision – doch viele Annahmen sind schief. Ein Überblick der größten Renten-Mythen.

ÄLTERE HABEN AUF DEM ARBEITSMARKT

GAR KEINE CHANCE.

Für Ältere hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahren verbessert. Auch weil die Frühverrentungspolitik der 90er Jahre zurückgefahren wurde, gehen die Deutschen inzwischen im Schnitt ein Jahr später in Rente als noch vor einem Jahrzehnt. Außerdem ist das Bildungsniveau der Älteren kontinuierlich gestiegen, was zu einem längeren Verbleib im Beruf führt. In der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen waren im Jahr 2009 laut Statistischem Bundesamt etwa vier von zehn Menschen erwerbstätig – doppelt so viele wie 2000. Als erwerbstätig gilt allerdings nicht nur, wer einen sozialversicherungspflichtigen Job hat, sondern auch Beamte, Selbstständige, Minijobber und Hartz-IV-Empfänger mit einem Ein-Euro-Job. Doch auch wenn inzwischen mehr Betriebe Ältere beschäftigen, so ist es für diejenigen besonders schwer, die durchs Raster fallen: Wer in der Altergruppe 60 plus den Job verliert, hat nur geringe Chancen, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.

ALLE MÜSSEN JETZT BIS 67 ARBEITEN.

Wer Abschläge in Kauf nimmt, kann auch künftig bereits mit 63 in Rente gehen. Und voll trifft die Änderung ohnehin nur die nach 1963 Geborenen. Sie müssen, unabhängig von ihrem Job, bis 67 arbeiten, um die komplette Rente zu erhalten. Mit einer Ausnahme: Wer am Ende auf 45 Beitragsjahre kommt, kann weiter mit 65 abschlagsfrei in Rente gehen. Für die Jahrgänge zwischen 1947 und 1963 wird die Altersgrenze stufenweise angehoben. Und wer vor 1947 geboren ist, ist von der Änderung überhaupt nicht betroffen.



TROTZ DEMOGRAFISCHEN WANDELS

MÜSSEN WIR NICHT LÄNGER ARBEITEN.

Heute kommen auf einen Rentner drei Personen im erwerbsfähigen Alter, in 20 Jahren wird das Verhältnis bei eins zu zwei liegen. Durch die steigende Lebenserwartung wird zudem die Zeit länger, in der die Menschen Rente beziehen. Da klingt es einleuchtend, dass die Menschen länger arbeiten müssen, wenn die Rente bezahlbar bleiben soll. Der Statistikprofessor Gerd Bosbach bezweifelt dies jedoch. Für ihn kommt es nicht nur darauf an, wie viele Alte eine Gesellschaft versorgt, sondern auch, wie viele Kinder und Jugendliche. Wegen der schrumpfenden Bevölkerung steige die Gesamtbelastung der arbeitenden Bevölkerung nicht so stark, argumentiert er. Entscheidend sei, wie stark die Produktivität steige. Wenn in Deutschland immer weniger Arbeitskräfte immer mehr erwirtschaften würden, könnten dadurch auch steigende soziale Belastungen ausgeglichen werden.

FÜR RENTNER GIBT ES

NUR NOCH NULLRUNDEN.

Das stimmt nicht. Wenn die Löhne steigen, profitieren davon in der Regel auch die Rentner. Die Regierung geht in aktuellen Modellrechnungen davon aus, dass die Renten bis 2024 um gut 29 Prozent steigen, pro Jahr im Schnitt um 1,9 Prozent – vorausgesetzt, die Wirtschaft entwickelt sich weiter positiv. Wahr ist aber auch, dass die Rentenanpassungen in den nächsten Jahren gedämpft werden. Die „Riester-Treppe“ gleicht aus, dass die Jüngeren stärker privat fürs Alter vorsorgen. Der „Nachhaltigkeitsfaktor“ berücksichtigt den steigenden Anteil von Rentenempfängern zu Beitragszahlern. Und mit dem „Nachholfaktor“ sollen ausgefallene Rentenkürzungen nachgeholt werden. Bis voraussichtlich 2015 werden deswegen die Rentenerhöhungen halbiert.

GEGEN DIE RENTNER KANN KÜNFTIG

NICHTS MEHR ENTSCHIEDEN WERDEN.

Das Schreckensbild einer „Rentnerdemokratie“ – der Begriff stammt von Altbundespräsident Roman Herzog – wird nicht ohne Grund beschworen. Seit jeher zählen Rentenerhöhungen zu den beliebtesten Wahlgeschenken. Und die Menschen im Land werden älter, die Jungen immer weniger. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat errechnet, dass im Jahr 2009 ein Drittel der Wahlberechtigten den 60. Geburtstag hinter sich hatte und dass diese Gruppe zudem die höchste Wahlbeteiligung erreichte. Politiker bekommen den zunehmenden Einfluss der Alten zu spüren. Als sich Jens Spahn (CDU) vor zwei Jahren gegen eine Rentenerhöhung wandte, sah er sich nicht nur üblen Beschimpfungen und Bedrohungen ausgesetzt, sondern geriet auch in der eigenen Partei unter Druck. Bei der Union ist die Gefahr, Rentnerpolitik zu machen, besonders groß, denn sie kommt unter den Betagten auf den höchsten Wähleranteil. Allerdings liegt es auch an den Jungen, sich stärker politisch zu engagieren und Generationengerechtigkeit einzufordern.

FÜR DIE JÜNGEREN LOHNT ES SICH NICHT,

IN DIE RENTENKASSE EINZUZAHLEN.

Die Rendite der gesetzlichen Rentenversicherung wird gern infrage gestellt, insbesondere von der privaten Konkurrenz. Tatsächlich „lohnt“ sich die Beitragszahlung durchaus. Prognosen zufolge liegt der Erlös auch in 30 Jahren im Schnitt bei knapp drei Prozent – und damit nicht niedriger als bei Privatanbietern. Dass das kapitalgedeckte System so zukunftssicher nicht ist, hat sich in der Finanzkrise gezeigt. Zudem wird oft vergessen, dass die Rentenversicherung auch Risiken absichert: Sie zahlt für Hinterbliebene und Erwerbsgeminderte ebenso wie für Reha und honoriert auch Kindererziehung, Pflege sowie Wehr- oder Ersatzdienst.

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