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Angela Merkel.

© Tobias Schwarz/AFP

Rentenangleichung im Osten: Angela Merkel warnt vor Illusionen

Bei der Rentenangleichung bahnt sich ein Koalitionskonflikt an: Die Kanzlerin sieht noch Gesprächsbedarf, der Finanzminister lässt die Arbeitsministerin auflaufen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte sich am Donnerstag nicht darauf festlegen, wann und in welcher Form die in Aussicht gestellte Angleichung der Ost-Renten kommt.

Bei ihrer vorverlegten Sommerpressekonferenz sagte sie: „Ich kann hier auch nur warnen, zu große Illusionen zu schüren.“ Damit setzte die Kanzlerin ein Fragezeichen hinter den von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgelegten Plan einer Rentenangleichung bis zum Jahr 2020. Schon zuvor war bekannt geworden, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Einwände gegen den Finanzierungsvorschlag von Nahles gemacht hat – er möchte das Projekt nicht aus Steuern, sondern über die Rentenkasse finanzieren.

Merkel sagte zwar, sie sehe „keine unüberwindbaren Hürden“ bei der im Koalitionsvertrag vereinbarten Rentenreform. Doch werde es sicher noch „intensive Diskussionen“ geben.

"Unterschiedliche Positionen" in der Unionsfraktion

Die Kanzlerin verwies darauf, dass es in ihrer eigenen Unions-Fraktion „unterschiedliche Positionen“ gebe. Die Angleichung der Ost- und West-Rente höre sich sehr gut an und sei aus Sicht der Rentenbezieher auch sehr erstrebenswert. Die Höherwertung der Renten korrespondiere aber mit einer Geringerbewertung der dort bezahlten Löhne für diejenigen, die noch im Arbeitsleben stehen. Ein Teil ihrer Fraktion empfinde das als nicht fair, sagte Merkel.

Der Kanzlerin zufolge stellt sich mit Blick auf mögliche Altersarmut die Frage, ob man Beitragszahlern im Osten einer solche Abstufung zumuten könne. Man müsse darüber reden, in welchen Schritten man das machen wolle, und auch die Finanzierung müsse thematisiert werden. Die Koalition befinde sich diesbezüglich erst in der „Frühkoordinierung“. Es gehe darum, die positiven und negativen Seiten "in eine vernünftige Balance" zu bringen.

Nach den Plänen von Nahles soll das Rentenniveau in zwei Schritten bis 2020 angeglichen werden. Das würde 2018 und 2019 jeweils 1,8 Milliarden und 2020 3,9 Milliarden Euro kosten. Zur Zeit liegt der Rentenwert für Ostdeutschland bei 94,1 Prozent des Westniveaus.

Schäuble will die Angleichung aus der Rentenkasse bezahlt haben

Schäubles Ressort hatte dem Arbeitsministerium in einem Schreiben mitgeteilt, das es die Rentenangleichung nicht als „prioritäre Maßnahme“ sehe. Dem schloss sich Merkel an. Für den Finanzminister kommt daher eine Finanzierung aus dem allgemeinen Etat nicht in Frage. Die Gegenfinanzierung sei „vollständig und dauerhaft im gleichen Politikbereich, also der gesetzlichen Rentenversicherung, sicherzustellen“. So sieht es der Koalitionsvertrag für alle Maßnahmen vor, die 2013 als „nicht prioritär“ bezeichnet wurden.

Schäuble will die Finanzierungsfrage geklärt habe, bevor es zur Abstimmung innerhalb der Regierung kommt, Nahles erst später im Verfahren. Bei der Bekanntgabe ihrer Pläne vor einer Woche hatte sie betont, dass der Bund die Kosten zu tragen habe, da es sich bei der Rentenangleichung um eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ handle.

Rentenversicherung: Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Die Deutsche Rentenversicherung sieht das genauso. Sie warnte am Donnerstag erneut davor, die Kosten für die Angleichung der Renten in Ost und West aus Beitragsmitteln zu finanzieren. Die Finanzierung der entstehenden Mehrausgaben müsse aus Steuermitteln erfolgen, da die Angleichung der Renten ja rascher erfolgen solle als die Angleichung des Lohnniveaus.

Auch die Linkspartei forderte, die Anhebung der Ostrenten auf das Westniveau allein aus Steuermitteln zu finanzieren. „Wenn Minister Schäuble sich durchsetzen sollte, werden alle Rentenversicherten höhere Rentenbeiträge zahlen müssen", sagte ihr Fraktionsexperte Matthias Birkwald. Dafür gebe es keinen Grund, denn die Beschäftigten im Osten arbeiteten im Durchschnitt länger, erhielten weniger Urlaubs- und Weihnachtsgeld und hätten geringere Betriebsrentenansprüche als ihre Kolleginnen und Kollegen im Westen. Und die wiederum dürften "nicht dafür in Haftung genommen werden, dass die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen in weiten Teilen Ostdeutschlands nicht im Traum daran denken, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu zahlen".

Höherwertung der Ostlöhne wurde auch aus Beitragsmitteln finanziert

In der Unionsfraktion dagegen ist man sich über die Finanzierung uneins. Darüber könne man "trefflich streiten", sagte ihr Rentenexperte Peter Weiß (CDU) dem Tagesspiegel. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass die bisherige Höherwertung der Löhne von Ost- Arbeitnehmern für die Rente "auch ohne jede Kritik aus den Beitragseinnahmen finanziert worden" sei.

Das Bundesfinanzministerium wollte sich am Donnerstag nicht ausführlich äußern. „Wir sind und bleiben innerhalb der Bundesregierung im Gespräch zu diesem Thema", sagte ein Sprecher. Gerade fänden Vorabstimmungen auf Beamtenebene statt, um die das Arbeitsministerium gebeten habe.

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