zum Hauptinhalt
Mit neuer und großer schwarz-roter Mehrheit - hier ein Blick auf die Unionsfraktion - wird der Bundestag beschließen, die Senkung der Rentenbeiträge auszusetzen. Am Donnerstag war im Parlament erste Lesung des dafür nötigen Gesetzes.

© dpa

Rentenbeiträge: Geschenk für Arbeitnehmer fällt aus

Die neue Regierung setzt einen Automatismus per Gesetz außer Kraft: Die Rentenbeiträge werden zum Jahreswechsel nicht gesenkt. Ist das rechtens?

Es ist ein Gesetz, das die Beitragszahler um sechs Milliarden Euro bringt. Das wäre die Ersparnis, wenn die Rentenbeiträge wie vorgesehen zum 1. Januar 2014 von derzeit 18,9 auf 18,3 Prozent sinken würden. Die Reserven der Rentenkassen liegen Ende des Jahres mit voraussichtlich 31 Milliarden Euro nicht nur deutlich über dem, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Sie liegen sogar über dem vorgesehenen Maximum vom Anderthalbfachen einer Monatsausgabe. Und normalerweise greift in einem solchen Fall ein Automatismus: Die Rentenbeiträge sinken. Dafür muss die Bundesregierung lediglich eine entsprechende Verordnung auf den Weg bringen. Was sie diesmal aber nicht tut.

Mehr als 200 Euro im Jahr

Wenn die große Koalition nicht eingreifen würde, hätte ein Arbeitnehmer mit einem Monatseinkommen von 3400 Euro sich 2014 über eine Ersparnis von 122,40 Euro freuen können (ohne Arbeitgeberanteil). Maximal hätte man im Jahr sogar 214,20 Euro sparen können, bei einem Monatseinkommen von 5950 Euro. Das entspricht dem Höchsteinkommen, auf das in Westdeutschland Beiträge entrichtet werden müssen. Im Osten liegt dieser Wert bei 5000 Euro, die maximale Ersparnis läge bei 180 Euro im Jahr.

Das Einfrieren der Beitragssätze im nächsten Jahr hat auch Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Der allgemeine Bundeszuschuss zur Rentenversicherung nämlich, der aus Steuergeldern gezahlt wird, ist mit dem Beitragssatz verkoppelt. Durch den Verzicht auf die Beitragssenkung muss der Bund unterm Strich 1,5 Milliarden Euro mehr aufbringen. Die Rentenkassen hingegen können im kommenden Jahr mit Mehreinnahmen von rund 7,5 Milliarden Euro rechnen.

"Gute Gründe"

Doch SPD und Union sehen „gute Gründe“ dafür, die Beitragssenkung auszusetzen, wie die neue Staatssekretärin im Arbeitsministerium, Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) am Donnerstag im Bundestag sagte. Die Koalition habe schließlich „große rentenpolitische Maßnahmen“ vor. Einige davon sollen im Eiltempo umgesetzt werden: Ältere Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, sollen bereits ab Juli 2014 eine höhere Rente erhalten. Für ihre Altersbezüge wird ihnen ein Entgeltpunkt mehr angerechnet. Und ebenfalls zur Jahresmitte will die Koalition die abschlagsfreie Rente mit 63 einführen. Bezugsberechtigt soll sein, wer 45 Versicherungsjahre aufzuweisen hat, dazu zählen auch Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Die Mütterrente, ein zentrales Wahlkampfversprechen der Union, kostet richtig Geld. Doch da CDU und CSU die Steuern partout nicht erhöhen wollten, beschlossen sie, diese Leistung zunächst einmal aus der gut gefüllten Rentenkasse zu bezahlen. Mit der Forderung, sie aus Steuergeldern zu bezahlen, hatte sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen können.

Auch Seehofer sieht ein Problem

Die Opposition findet diese Finanzierung immer noch falsch. „Wer Erziehungszeiten in der Rente besser honorieren will, muss dies aus Steuermitteln bezahlen und nicht die Rentenkasse plündern“, sagte die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen, Kerstin Andreae, dem Tagesspiegel. Schließlich profitierten in einer Gesellschaft alle davon, wenn Kinder geboren würden. Die Pläne von Union und SPD führten dazu, „dass nur die Beitragszahler für die Mütterrente aufkommen, also der Facharbeiter und die Krankenschwester, nicht aber wir Abgeordnete oder die Beamten und Selbstständigen“. Selbst CSU-Chef Horst Seehofer räumt inzwischen ein, dass für die Finanzierung der Mütterrente langfristig auch Steuergelder benötigt würden.

Andreae stößt sich zudem an dem ungewöhnlichen Verfahren, das die neuen Koalitionäre gewählt haben. Union und SPD wollen die Beiträge zum Jahreswechsel konstant lassen, obwohl das dafür notwendige Gesetz zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht verabschiedet ist. Erst im Januar findet im Bundestag die erforderliche zweite und dritte Lesung statt, der Bundesrat kann sich frühestens Mitte Februar damit befassen. Die Festsetzung des Beitragssatzes soll dann rückwirkend erfolgen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat Bedenken angemeldet. Mit einem ordentlichen parlamentarischen Verfahren habe das nichts zu tun, kritisiert auch die Grünen-Wirtschaftsexpertin Andreae. „Dass die Koalition so anfängt, lässt nichts Gutes für die Wahlperiode erahnen.“ Der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald wirft Schwarz-Rot Trickserei vor. Die Koalitionäre wollen die rechtlichen Bedenken dadurch schmälern, dass das Gesetz bereits heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird – und nicht erst nach seinem Inkrafttreten. In Kreisen der Koalition hieß es außerdem, dass die Rechtsexperten des Innen- und das Justizministeriums das Verfahren für machbar hielten.

Versicherer zweifeln am Zeitplan

Auf die neue Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kommt in den nächsten Wochen ohnehin viel Arbeit zu. Für die geplanten Verbesserungen für Mütter (und Väter) müssen schätzungsweise neun Millionen Renten neu berechnet werden. Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, warnte bereits, dass dies bis Juli gar nicht machbar sei. Selbst bei „verwaltungsfreundlicher Ausgestaltung“, wie er es formulierte, könne die Umsetzung der Mütterrente frühestens zu Beginn des vierten Quartals 2014 erfolgen.

Ähnlich ambitioniert ist das Vorhaben, bis zur Jahresmitte die abschlagsfreie Rente mit 63 einzuführen – eines der zentralen SPD-Versprechen im Wahlkampf. Zeitgleich sollen zudem Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente in Kraft treten. Eine pünktliche Umsetzung zum Juli 2014 hält Rische nur für möglich, wenn bereits im Januar 2014 ein Referentenentwurf vorliege – und wenn dieser Entwurf dann auch „keine regelungstechnischen Überraschungen“ enthalte.

Zur Startseite