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Politik: Rentenreform: Ungnädige Experten

Das Urteil der Experten und Verbände war nahezu einhellig: Der Ausgleichsfaktor, mit dem Sozialminister Walter Riester (SPD) ab 2011 das Niveau der gesetzlichen Rente für die Rentenneuzugänge kürzen will, muss verschwinden. Ob Deutscher Gewerkschaftsbund, Frauenrat oder Verband der Rentenversicherungsträger - in dem Punkt waren sich alle einig.

Das Urteil der Experten und Verbände war nahezu einhellig: Der Ausgleichsfaktor, mit dem Sozialminister Walter Riester (SPD) ab 2011 das Niveau der gesetzlichen Rente für die Rentenneuzugänge kürzen will, muss verschwinden. Ob Deutscher Gewerkschaftsbund, Frauenrat oder Verband der Rentenversicherungsträger - in dem Punkt waren sich alle einig. Auch die neue Formel für die Rentenanpassung stieß auf Kritik, weil sie die Steigerung der Renten um den Faktor kürzt, um den die neue zusätzliche Privatrente aufgebaut werden soll - unabhängig davon, wie viel jemand tatsächlich zur privaten Altersvorsorge zahlt oder zahlen kann.

"Beide Maßnahmen entbehren einer systematischen Begründung, sind willkürlich und eignen sich zur Manipulation", heißt es in der Stellungnahme des Rentenexperten Winfried Schmähl in der öffentlichen Anhörung des Bundestags-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zur geplanten Rentenreform. Sogar der Regierungsberater und Vorsitzende des Sozialbeirats, Bert Rürup, ließ kein gutes Haar am Ausgleichsfaktor. Er sei "Generationen-ungerecht", klagte er, und er verursache eine soziale "Schieflage".

Der umstrittene Ausgleichsfaktor soll nach den Kürzungen in der neuen, modifizierten Anpassungsformel die Zugangsrenten in den Jahren 2011 bis 2030 um jeweils weitere 0,3 Prozentpunkte mindern. Beim Rentenzugang des Jahres 2030 wäre eine Kürzung um sechs Prozent erreicht. Ergebnis ist laut Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger (VDR): "Es kommt zu einer einseitigen Belastung der jüngeren Generation."

Auf drei Tage ist die Anhörung angesetzt. Erst wenn sie vorüber ist, will der Ausschuss sich an die Feinarbeit zu Riesters Gesetzentwurf machen. Doch bereits am ersten Tag der Anhörung im Berliner Reichstagsgebäude zeichnete sich ab, dass Riesters Ausgleichsfaktor wohl nicht heil aus dem Gesetzgebungsprozess herauskommen wird. Das wird inoffiziell mittlerweile sogar in Regierungskreisen eingeräumt. Wenn die Anhörungen des Ausschusses beendet sind, gehen die Parlamentarier zwar gleich in die Weihnachtspause, doch schon Anfang Januar müssen die Bemühungen weitergehen, einen anderen "Rechenfaktor" zu finden, der der demographischen Entwicklung gerecht wird. In der zweiten Januarwoche treffen sich die Fraktionen der rot-grünen Koalition zu ihren Klausurtagungen und bereiten die entscheidenden Ausschussberatungen für die Rentenreform vor. Spätestens dann muss klar sein, mit welchem Faktor Riester das Niveau der gesetzlichen Rente kürzen will.

Ein Alternativvorschlag findet bereits jetzt viele Freunde, vom DGB bis zur CDU. Es handelt sich um den Vorschlag des VDR. "Eine gleichmäßige Belastung könnte man selbst unter Vorgabe eines Beitragssatzes von 22 Prozent im Jahre 2030 dadurch erreichen, dass man den Ausgleichsfaktor ab 2011 in modifizierter Form in die Anpassungsformel übernimmt", schlägt der VDR vor. Dafür sollte dann die Formel so geändert werden, dass statt von 100 Prozent des Bruttoeinkommens nur noch von 75 Prozent des Bruttoeinkommens ausgegangen wird. Vorteil: "Für Rentenzugang und Rentenbestand im Jahre 2030 gäbe es damit ein einheitliches Nettorentenniveau von über 67 Prozent" - das ist höher als das, was Riester bislang plant.

Carsten Germis

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