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Ein von einem Pferd gezogener Heuwagen im Norden Moldaus.

© AFP

Republik Moldau: Auf dem Weg nach Europa

Auch die Republik Moldau schließt ein Abkommen mit der EU – doch Russland hat dem Nachbarland der Ukraine bereits gedroht. Ein Besuch vor Ort.

Das 21. Jahrhundert hat es noch nicht bis nach Pelinia geschafft. Das Dorf im Norden der Republik Moldau wirkt, als sei es aus der Zeit gefallen. Der Weg von der Hauptstadt Chisinau nach Pelinia führt durch grünes, hügeliges Land, Pferde ziehen voll beladene Heuwagen, ein Junge zieht eine Ziege an einem Strick hinter sich her. Das Wasser im Dorf fließt nicht aus der Leitung, in jedem Vorgarten steht ein liebevoll geschmückter Brunnen. Im Kindergarten von Pelinia jedoch kommt das Wasser dank einer neuen Pumpe nun aus dem Wasserhahn, die Kinder müssen nicht mehr die Außentoilette benutzen. Saniert wurde das Gebäude mit Geld aus Deutschland, Entwicklungsminister Gerd Müller besuchte den Kindergarten in der vergangenen Woche. Die Gemeinde durfte im Rahmen des Projekts selbst bestimmen, was gefördert werden soll, und entschied sich für den Kindergarten. Auch die Kinder wurden einbezogen, sie durften sich auf eine Farbe für das Gebäude einigen. Deswegen ist der Kindergarten von Pelinia nun bonbonrosa. „Wichtig ist, dass die Leute vor Ort entscheiden, was gemacht wird“, sagte Müller dem Bürgermeister von Pelinia zum Abschied.

Regierung in Moldau sieht Abkommen als Neuanfang

Eine folgenreiche Entscheidung hat die moldauische Regierung für ihr Land getroffen: Am Freitag unterzeichnet der Ministerpräsident Iurie Leanca ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union. Der Tag markiert aus Sicht des Premiers einen Neuanfang: „Das Abkommen ist das Fundament für den Aufbau eines neuen Moldau.“ Bereits seit April brauchen Moldauer für die Einreise in die EU keine Visa mehr. Das Land hatte als erstes der sechs Länder, die zur Östlichen Partnerschaft der EU gehören, alle Bedingungen erfüllt.

Viele Moldauer verdienen ihr Geld im Ausland

Die zwischen der Ukraine und Rumänien gelegene Ex-Sowjetrepublik zählt zu den ärmsten Ländern Europas. Etwa eine Million Moldauer arbeitet im Ausland, weil es in der Heimat keine Jobs gibt. Viele Männer gehen als Wanderarbeiter nach Russland, Frauen arbeiten oft in italienischen Haushalten. Die Kinder dieser Familien bleiben ohne Eltern zurück, werden von Großeltern oder anderen Verwandten betreut. Im Kindergarten von Pelinia sind 16 Kinder, deren Eltern ihr Geld im Ausland verdienen. „Es gibt viele Kinder ohne Eltern in Moldau, das Problem ist besonders auf dem Land sehr groß“, sagt Elena Ajder, Leiterin eines von der katholischen Kirche getragenen Sozialzentrums in Chisinau.

Die proeuropäische Regierung Moldaus hofft im Zuge der Annäherung an die EU auf neue Arbeitsplätze, auf Investitionen in die Infrastruktur und Hilfe beim Kampf gegen die Korruption. Doch die Situation im Nachbarland Ukraine hat den Moldauern vor Augen geführt, dass sie möglicherweise auch mit Druck aus Russland rechnen müssen. Moldau müsse sich entscheiden zwischen der EU und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), betonte ein russischer Regierungsvertreter. Vize-Premier Dmitri Rogosin hatte bereits im vergangenen Jahr gesagt: „Ich hoffe, ihr werdet nicht frieren.“

Russland kann auf das kleine Land Druck ausüben

Tatsächlich hätte Russland mehrere Möglichkeiten, auf das kleine Land Druck auszuüben: Moldaus Energieversorgung hängt zu 100 Prozent am russischen Gas. Außerdem war das Land bisher darauf angewiesen, Wein und Obst – die beiden wichtigsten Exportprodukte – auf dem russischen Markt zu verkaufen. Russland hatte den Import von moldauischem Wein im Herbst gestoppt, die EU erhöhte daraufhin die erlaubten Einfuhrquoten. In Russland arbeiten etwa 600 000 moldauische Wanderarbeiter. Sollte Moskau ihnen die Aufenthaltsgenehmigungen entziehen, hätte dies gravierende Auswirkungen auf die soziale Lage in Moldau. Und schließlich ist da noch die abtrünnige Teilrepublik Transnistrien, deren Führung sich einen Anschluss an Russland wünscht. In der Region sind russische Truppen stationiert.

Die Meinung der Moldauer über die Pläne ihrer Regierung ist geteilt. Die Hälfte der Bürger befürwortet die Annäherung, doch gerade auf dem Land sind die Bedenken groß. In den Umfragen liegen die oppositionellen Kommunisten vorn, sie könnten die Wahl Ende des Jahres gewinnen. Allerdings sind auch die Kommunisten nicht klar antieuropäisch. Die Partei hatte den Kurs der Annäherung an Europa vor neun Jahren sogar begonnen.

Deutschland hilft Moldau mit 14,3 Millionen Euro

Deutschland sicherte Moldau nun weitere Hilfe zu: 14,3 Millionen Euro sollen für Projekte beispielsweise in den Bereichen Wasserversorgung, kommunale Infrastruktur, Bildung und Verwaltungsberatung gezahlt werden. Moldau sei stets Teil der europäischen Geschichte gewesen und auch Teil der europäischen Zukunft, sagte Müller bei seinem Besuch. Zugleich betonte er, dass Moldau nicht vor die Wahl gestellt werde, sich für oder gegen Russland entscheiden zu müssen.

Die Reise des Ministers nach Moldau so kurz vor der Unterzeichnung des EU-Abkommens lässt sich als demonstrative Unterstützung für das Land verstehen. Die Krise in der Ukraine und der Konflikt mit Russland haben die Aufmerksamkeit der europäischen Politik verstärkt auf Moldau und Georgien gelenkt. Nach Ansicht von Beobachtern hat der strategische Wandel sogar früher begonnen: Die Bedeutung der Östlichen Partnerschaft wurde bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Auf Hilfe aus Deutschland setzt Premier Leanca auch persönlich: Er lässt sich in Fragen der EU-Politik und der Wirtschaftsbeziehungen von zwei deutschen Experten beraten.

- Die Autorin war auf Einladung des Bundesentwicklungsministeriums in Moldau.

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