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So könnte es aussehen. Computersimulation des geplanten Hochmoselübergangs bei Ürzig. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Rheinland-Pfalz: Über diese Brücke müssen sie gehen

Die Grünen-Spitze in Rheinland-Pfalz billigte den umstrittenen Moselübergang – jetzt muss die Basis überzeugt werden.

Die Frage war eigentlich an die Grünen gerichtet: Was denn wäre, wenn die grüne Basis dem nun vorliegenden Koalitionsvertrag mit der SPD doch nicht zustimmen würde? Ob dann nachverhandelt würde? Doch bevor Eveline Lemke, Sprecherin der rheinland-pfälzischen Grünen, das Wort überhaupt ergreifen konnte, polterte in der Pressekonferenz schon Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) los: „Es gibt hier keine Nachverhandlungen. Das hat’s mit mir noch nie gegeben.“ Ein Machtwort vom Chef. Eveline Lemke, die designierte stellvertretende Ministerpräsidentin, schwieg. Fast eineinhalb Stunden hatten Sozialdemokraten und Grüne in der abgelaufenen Woche in Mainz ihren Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit vorgestellt, ein rund hundertseitiges Papier. Am Wochenende standen nun die Sonderparteitage an, bei denen die Vereinbarungen der künftigen Regierungspartner gebilligt werden mussten.

Während der SPD-Parteitag am Samstag in Mainz die Verhandlungsergebnisse mit überwältigender Mehrheit bei nur drei Gegenstimmen absegnete, wird es bei den Grünen an diesem Sonntag in Neuwied wohl nicht so glatt gehen. Jede Menge Ärger steht ins Haus – für den wollen die Gegner des Hochmoselübergangs sorgen. Die umstrittene Brücke zwischen Ürzig und Rachtig wird nämlich gebaut, was den grünen Wahlkampfaussagen deutlich widerspricht. Geplant ist, die Bundesstraße B 50 über eine 160 Meter hohe, fast zwei Kilometer lange Brücke zu führen. Die vierspurige Betonbrücke geht mitten durch eines der berühmtesten Weinbaugebiete der Welt. Die örtlichen Winzer fürchten, dass das „Ding“, wie sie es nennen, die einzigartige Kulturlandschaft an der Mosel zerstört, und die weltbekannten Spitzenlagen ruiniert. Die Grünen waren angetreten, das Mammutprojekt im Moseltal zu verhindern. Sogar in Berlin gab es Solidaraktionen, bei denen selbst Joschka Fischer zu sehen war.

Eine Art „Baustopp“ zu Beginn der Koalitionsverhandlungen schürte noch die Hoffnungen in der Moselregion, dass das 330-Millionen-Bauwerk doch noch zu stoppen sei. Doch der Traum ist vorbei. Die Forderungen, die bei einem Baustopp auf das Land zugekommen wären, wären unvertretbar hoch gewesen, verteidigen sich die Grünen: Über 95 Millionen Euro für Schadensersatzforderungen und Rückbau. Dazu noch einmal 245 Millionen Euro, die schon ausgegeben wurden. Für nichts, argumentiert Lemke. Es wäre gut angelegtes Geld gewesen, um ökologischen Schaden abzuwenden, argumentieren die Brückengegner.

Nun mobilisiert die Bürgerinitiative Pro-Mosel zur Demonstration in Neuwied gegen den rot-grünen Koalitionsvertrag, auch grüne Delegierte wollen sich wehren. Es soll auf dem Parteitag der Antrag gestellt werden, in diesem Punkt nachzuverhandeln. Es ist sicher die größte Kröte, die die Wähler der Grünen schlucken müssen.

Aber auch das, was in Sachen Nürburgring verhandelt wurde, erscheint dürftig. Das an der Rennstrecke in der Eifel geplante Freizeitzentrum hatte in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Ein Untersuchungsausschuss befasste sich damit, die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf, Becks Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) trat zurück. Und nun? Knapp zwanzig Zeilen sind es im Koalitionsvertrag, alles bleibt wie gehabt. Das sorgt für Entrüstung in der Eifel, war es doch die Grüne Eveline Lemke, die die Regierungspolitik am Nürburgring jahrelang scharf attackiert hatte, die sich sogar mit der CDU zusammentat und Beck die EU-Kommission ins Land hetzte. Und jetzt heißt es: Abwarten. Sollten die Ergebnisse der staatsanwaltlichen Ermittlungen und die Erkenntnisse der EU-Kommission eine Neuregelung notwendig machen, heißt es im Vertrag, würden die Koalitionspartner den Betrieb neu ausschreiben.

Verhindert haben die Grünen den Bau der Mittelrheinbrücke in der Nähe der Loreley. Das freut viele ihrer Wähler, aber auch hier ein Wermutstropfen: Eine Abstimmung der Bürger über das Projekt haben die Grünen verhindert. Bürgerbeteiligung sei wichtig, wenn es darum gehe, politische Entscheidungen zu treffen, wehrt sich Grünen-Sprecher Daniel Köbler gegen Vorwürfe. Am Rhein stehe aber keine Entscheidung an.

Wenn die Grünen jetzt zustimmen, wird es die erste rot-grüne Landesregierung in Rheinland-Pfalz geben, gleich mit drei grünen Ministerinnen. Neu geschaffen wird ein Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen, das die Bingener Grüne Irene Alt führen soll. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken übernimmt das Umweltministerium, Eveline Lemke wird Wirtschaftsministerin. Dazu gehören auch die Bereiche Energie, Klimaschutz und Landesplanung. Die SPD wird fünf Ministerien besetzen. Sie behält die Ressorts Bildung und Wissenschaft, Finanzen sowie Arbeit und Soziales mit den bisherigen Ministern Doris Ahnen, Carsten Kühl und Malu Dreyer. Neu ins Kabinett rückt Roger Lewentz für Inneres und Verkehr, auch Justizminister Jochen Hartloff ist neu.

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