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Politik: Richter Angeklagt

Ronald Barnabas Schill lächelte freundlich, als er mit seinen vier Leibwächtern die breiten Treppen des Hamburger Justizgebäudes hinaufschritt. Dann das erwartete Blitzlichtgewitter.

Ronald Barnabas Schill lächelte freundlich, als er mit seinen vier Leibwächtern die breiten Treppen des Hamburger Justizgebäudes hinaufschritt. Dann das erwartete Blitzlichtgewitter. Fragen ließ der Hamburger Innensenator, der sich wegen seiner überzogenen Urteile den Namen "Richter Gnadenlos" gemacht hat, unbeantwortet. Auch sein Anwalt, Walter Wellinghausen, sagte nur: "Wir erwarten ein gutes Urteil."

Wenig später begann die Neuauflage des Strafverfahrens gegen Schill, der angeklagt ist, als Amtsrichter das Recht gebeugt und zwei von ihm zu drei Tagen Ordnungshaft verdonnerten Männern rechtswidrig die Freiheit geraubt zu haben. Der Bundesgerichtshof hatte dem Hamburger Landgericht diese Wiederholung verordnet.

Das Landgericht hatte Schill im Oktober 2000 wegen Rechtsbeugung zu 12 000 Mark Strafe verurteilt, weil es überzeugt war, Schill habe den Einspruch der Anwälte der beiden inhaftierten jungen Leute gezielt zwei Tage unbehandelt liegengelassen, weil er befürchtete, diese Beschwerde könne zu ihrer sofortigen Freilassung führen.

Der Bundesgerichtshof kam dagegen zu dem Ergebnis, die im Hamburger Verfahren vorgebrachten Beweise reichten nicht aus, um Schill eine ungesetzliche Absicht nachzuweisen. Der Gerichtshof räumte den Richtern darüber hinaus erheblichen zeitlichen Ermessensspielraum ein: Einem Richter bleibe es "grundsätzlich überlassen, welchem der von ihm zu erledigenden Dienstgeschäfte er den Vorrang einräumt, welche Mittel er im Einzelfall für die Förderung einer Rechtssache für geeignet hält und welche Gründlichkeit er der Sacharbeit widmet". Kein Wunder, dass Schill und sein Anwalt Wellershausen, den der Senator noch vor Weihnachten zum Staatsrat in seiner Behörde befördern will, so locker wirkten.

Claus Rabe, der Vorsitzende Richter, begrüßte den angeklagten Innensenator freundlich. Er titulierte dessen Verteidiger mit "Staatsrat in spe" und las höchstpersönlich die von Schill im ersten Verfahren verfasste Antwort auf die Anklage der Staatsanwaltschaft vor. Nur der Staatsanwalt, auf der anderen Seite des Saales, der schon im ersten Prozess mit von der Partie war, hatte ein Pokergesicht aufgesetzt. In einer Verhandlungspause versicherte er, ihm sei es ganz egal, ob er einen Innensenator oder einen Bauarbeiter anklage. Es gebe den hinreichenden Verdacht, dass Schill die ihm vorgeworfenen Taten begangen habe. Am kommenden Freitag soll das Urteil fallen.

Karsten Plog

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