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Oben auf dem Hügel "Camlica" soll die Moschee gebaut werden. Ein schöner Blick auf den Bosporus ist sicher, aber auch die Verärgerung über den Bau war vorhersehbar.

© AFP

Riesen-Moschee in Istanbul: Denkmal für Erdogans Regierungspartei

Die türkische Metropole Istanbul bekommt eine weitere Moschee - initiiert von Recep Erdogans Regierungspartei AKP. Kritiker und Opposition sehen die säkulare Republik gefährdet.

Sechs Minarette mit einer Höhe von jeweils mehr als 100 Metern, 15.000 Quadratmeter Grundfläche für das Gebäude selbst, eine Gesamtanlage von 250.000 Quadratmetern – in den kommenden Wochen sollen die Bauarbeiten für die größte Moschee der Türkei beginnen. Und zwar nicht irgendwo im Land, sondern in Istanbul, auf einem Hügel über dem Bosporus: Das neue Gotteshaus solle von überall in der türkischen Metropole aus zu sehen sein, sagt Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, dessen Regierung das Projekt angeht. Eine Moschee also, die über der größten Stadt der säkularen Republik thronen wird. Erdogans Kritiker sprechen von einem Schritt in den Islam-Staat.

Der Hügel Camlica auf der asiatischen Seite Istanbuls bietet einen unvergleichlichen Blick auf die Stadt und den Bosporus. Seit Jahren gibt es Diskussionen darüber, was mit einem Wald von unansehnlichen Funkmasten auf der Anhöhe geschehen soll. Jetzt werden die Masten bald von den Minaretten der neuen Moschee überragt werden. Die Türme sollen genau 107,1 Meter messen – im Gedenken an die Schlacht von Manazgirt, bei der die Seldschuken im Jahr 1071 die christliche Byzantiner besiegten und damit die Eroberung Anatoliens durch die Türken einleiteten.

Erdogan persönlich änderte die Pläne für das äußere Erscheinungsbild der Moschee in den vergangenen Wochen noch einmal ab, wie die Zeitungen berichten. Die Öffentlichkeit dagegen wurde weitgehend vom Entscheidungsfindungsprozess ausgeschlossen. Niemand habe den Bau einer Moschee in dieser Gegend von Istanbul gefordert, sagt Canan Güllu, eine säkularistische Frauenrechtlerin und bekannte Erdogan-Kritikerin. „In der Türkei gibt es keinen Mangel an Moscheen.“

Auch große Moscheen hat Istanbul genug: Die Metropole ist unter anderem Heimat der Blauen Moschee und der Sülemaniye-Moschee, zwei der berühmtesten Gotteshäuser des Osmanen-Reiches. Um die religiösen Bedürfnisse der Istanbuler geht es bei dem Moschee-Bau tatsächlich nicht, das gibt die Regierungspartei AKP offen zu. Das neue Gotteshaus werde vielmehr ein „Symbol der AKP-Regierung“ sein, kündigte Bauminister Erdogan Bayraktar in der Zeitung „Hürriyet“ an.

Das sehen auch die Erdogan-Kritiker so. Mehmet Ali Ediboglu, ein Parlamentsabgeordneter der säkularistischen Oppositionspartei CHP, sieht eine politische Dimension in dem Projekt, wie er unserer Zeitung sagte: „Sie wollen eine Botschaft aussenden.“ Und was die Erdogan-Leute sagen wollen, ist aus seiner Sicht glasklar. „Die Botschaft lautet, dass sie eine islamische Republik anstelle der säkularen Republik errichten wollen.“

Dieser Vorwurf ist so alt wie die AKP-Regierung selbst. Obwohl sie seit ihrem Regierungsantritt vor mehr als zehn Jahren viele demokratische Reformgesetze verabschiedete und auch die Lage der nicht-muslimischen Minderheiten verbesserte, steht die AKP im Verdacht, einem islamistischen Geheimplan zu folgen. Äußerungen Erdogans über die Notwendigkeit der Erziehung einer „frommen Generation“, die Freigabe des islamischen Kopftuches für Studentinnen und die in aller Öffentlichkeit demonstrierte Frömmigkeit vieler AKP-Politiker gelten bei den Kritikern der Regierung als Islamismus-Beweise.

Die CHP und die türkische Architektenkammer wollen das Projekt auf Camlica zwar von den Gerichten stoppen lassen. Bisher hat sich die Regierung aber nur in kleinen Details der Kritik gebeugt. So wurde ein ursprünglich vorgesehenes siebtes Minarett wieder aus den Plänen gestrichen. Ansonsten bleibt es aber bei einem riesigen und weithin sichtbaren Moschee-Komplex, zu dem neben dem Gotteshaus selbst ein Museum, ein Kongresszentrum, Cafés, Kinderspielplätze und eine Aussichtsterrasse gehören. Mit der Moschee wolle Erdogan sich selbst und seiner AKP ein Denkmal setzen, sagt die Säkularistin Güllü.

CHP-Mann Ediboglu ist trotz der anstehenden Gerichtsprozesse skeptisch, ob der Bau noch aufzuhalten ist. Die AKP schere sich nicht um die Meinung ihrer Kritiker, sondern habe nur ihre eigene – überwiegend fromme – Anhängerschaft im Blick, sagte er. Erdogan selbst denkt jedenfalls nicht daran, angesichts der Einsprüche erst einmal inne zu halten: In zweieinhalb Jahren solle die Moschee fertig sein.

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