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Rivalität in Nahost: Ägypten wehrt sich gegen Ratschläge aus Türkei

"Haltet euch raus": Der ägyptischen Regierung gehen die Hinweise auf das Vorbild der westlich verfassten, aber mehrheitlich muslimischen Türkei mächtig auf die Nerven.

Freundlich lächelnd, aber knallhart in der Sache ließ der ägyptische Botschafter in Ankara, Abderrahman Salaheldin, die Türken jetzt wissen, was er von den regelmäßig wiederholten Rücktrittsforderungen der türkischen Regierung an Präsident Hosni Mubarak hält. „Die Leute in Ägypten – nicht die Regierung, sondern die Leute auf der Straße – haben eine einstimmige Botschaft: ‚Haltet euch raus’“, sagte der Botschafter dem türkischen Nachrichtensender NTV. Doch die Türkei denkt nicht daran. Wie Ägypten beansprucht die Türkei eine regionale Führungsrolle in Nahost, und die Staatskrise in Kairo ist für Ankara eine Gelegenheit, die eigenen Stärken herauszustreichen.

Botschafter Salaheldin ist nicht der einzige ägyptische Regierungsbeamte, der sich türkische Modelle und Ratschläge verbittet. Seine Chefs in Kairo wollen sich die Belehrungen aus Ankara auch nicht mehr länger anhören. Als sich das Außenministerium am Nil vor einigen Tagen über Einmischungsversuche des Auslands beklagte, wurde die Türkei mit einem besonders gereizten Ton bedacht. Ankara suche „bei allen Gelegenheiten eine Rolle für sich“, beschwerten sich die Ägypter.

Viel ausrichten können sie damit nicht. Außenminister Ahmet Ali Sabul Gheit schrieb einen Brief an seinen Amtskollegen Ahmet Davutoglu, den Architekten der neuen türkischen Außenpolitik, die in Kairo für soviel Unmut sorgt. Davutoglu schrieb höflich zurück. Fast gleichzeitig stellte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan öffentlich ein neues Lösungspaket für Ägypten vor. Eine allseits akzeptierte Übergangsregierung in Kairo müsse her, und zwar flott, sagte er in einer Rede in Ankara. Anschließend müsse es Neuwahlen unter internationaler Beobachtung geben.

Erdogan genießt die Rolle des Weltenlenkers. So erwähnte er in seiner Rede, er habe zwei Mal in sechs Tagen mit US-Präsident Barack Obama über die Krise in Ägypten geredet. Die Mächtigen dieser Erde machen sich eben so ihre Gedanken darüber, wie es in Kaiso weitergehen könnte, war die Botschaft. Einmischung sei das nicht, betonte Erdogan: Die Türkei betrachte die Ereignisse in Ägypten als humanitäre Angelegenheit und blicke „durch das Fenster der Freundschaft und guten Nachbarschaft“ auf Kairo.

Freundschaft hin oder her: Erdogans Rücktrittsforderungen an Mubarak sind Ausdruck eines Gefühls der eigenen Stärke in Ankara. Auf der Basis innenpolitischer Stabilität und eines kräftigen Wirtschaftswachstums sucht die Türkei nach neuen Aufgaben in der Region. Erst kürzlich bemühte sie sich – vergeblich – um Vermittlung im internationalen Streit um das iranische Atomprogramm. Auch bei der Suche nach einer Lösung der Regierungskrise in Libanon waren die Türken dabei. Als funktionierende Demokratie, NATO-Mitglied und EU-Kandidatin, die gleichzeitig Tacheles mit Israel redet, hat die Türkei im Nahen Osten in den vergangenen Jahren viel Prestige gewonnen.

Und das sehen die Ägypter als traditionelle Führungsmacht der arabischen Welt überhaupt nicht gerne, sagte Veysel Ayhan vom Nahost-Forschungsinstitut Orsam in Ankara unserer Zeitung. „Sie sehen, dass die Türkei wichtiger wird, und das macht ihnen Sorgen“, sagte Ayhan über die Ägypter. 

Nicht nur die türkischen Ambitionen lassen die Regierung in Kairo so gereizt reagieren. Rücktrittsforderungen der USA an Mubarak seien für Kairo weniger bedeutend, weil viele Menschen dem Westen nicht trauten – „aber wenn die Türkei so etwas sagt, dann schlägt das in der ganzen Region ein“, sagte Ayhan.

Dass die ägyptische Regierung so sauer auf die Haltung der Türkei reagiert, stört Erdogan und seine Minister wenig, glaubt der Experte. Wichtig sei für Ankara, dass die türkischen Forderung nach Wandel und mehr Demokratie von den Demonstranten in Kairo sowie von anderen potenziell entscheidenden Teilen der Gesellschaft wie jungen Offizieren der Armee, Akademikern und Journalisten geteilt würden. Dagegen werde das Personal in den ägyptischen Regierungsbüros ohnehin „nicht mehr lange da sein“.

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