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Mit der Welt im Dialog. So umreißt Stiftungs-Geschäftsführerin Ingrid Hamm das Ziel: Die Academy bringt internationale Experten mit politischen Entscheidern zusammen.

© Thilo Rückeis

Robert Bosch Stiftung: „Ja. Wir wollen auf die Politik einwirken“

Ingrid Hamm, die Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung, über Ziele und Besonderheiten der Academy, die Fellows aus aller Welt nach Berlin-Mitte holt.

Fünfzig Jahre Robert Bosch Stiftung, da sammelt sich ein großer Erkenntnisschatz an. Aus Ihrer Erfahrung: Was kann eine Stiftung für die Gesellschaft tun und in der Gesellschaft leisten?

Die Robert Bosch Stiftung ist ein Element der Zivilgesellschaft. Ihre Funktion ist es, gesellschaftliche Entwicklungen voranzutreiben, Advokat zu sein, zum Beispiel für mehr Bildungsgerechtigkeit, auch Anreger zu sein für soziales Engagement. Gerade hier brechen ja traditionelle Strukturen weg, wir brauchen da neue Formen der Gemeinschaft.

Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von politischem Engagement?

Wir bringen Akteure ganz unterschiedlicher Provenienz zu einem bestimmten Thema zusammen, und zwar völlig unabhängig von politischen oder sonstigen Interessen. Wir können als Stiftung völlig frei von äußeren Einflüssen unsere Themen wählen, die Akteure aussuchen, die Prozesse bestimmen. Politik ist Wählern verpflichtet – Stiftung hat Freiheit, die es sonst nirgendwo gibt.

Die Robert Bosch Stiftung steht für Völkerverständigung, Bildung, Wissenschaft, Medizin, Gesundheit und anderes mehr. Wie fügt sich die neue Academy da hinein?

Die Academy ist eine Antwort darauf, dass Lösungen global gefunden werden müssen, auf der Basis von internationaler und interdisziplinärer Verständigung. Nehmen Sie die klassische Außen- und Sicherheitspolitik, da ist Verständigung enorm wichtig, damit Positionen korrigiert werden können, damit der Dialog hergestellt und aufrechterhalten werden kann. Auch Umwelt ist ein globales Thema, Sie können den Klimawandel nicht besprechen, ohne China einzubeziehen. Oder Wege aus der Armut, aus der Abhängigkeit, hin zu Demokratie zu finden, das sind weltweite Themen, da kann man wunderbar voneinander lernen. Und das gilt auch für alle Fragen der Medizin und der Gesundheit. International und interdisziplinär – dafür steht die Academy.

Ist die Academy innerhalb der Robert Bosch Stiftung ein ergänzendes Angebot oder ein vertiefendes?

Vertiefend und erweiternd. Oft ist es doch so: Man fährt irgendwohin oder lädt irgendwen ein, tauscht sich aus, und das war es dann. Hier haben wir führende Experten einer bestimmten Disziplin über Monate in Berlin, im ständigen Dialog miteinander und mit führenden Vertretern von Institutionen der Politik, der Wissenschaft und der Gesellschaft. Das führt zu einer Vertiefung und Erweiterung eines Themas, einer Idee. Wir bringen konsequent Experten mit ihren Counterparts zusammen, und deswegen sind wir hier, in Berlin, auch genau richtig mit der Academy.

In welcher Beziehung steht die Academy zur Stiftung?

Sie ist ein eigener Betrieb, aber integraler Bestandteil der Stiftung. Alles steht bei uns unter dem Motto: eine Stiftung. Wir wollen nicht abgeschottet arbeiten, sondern vernetzt, im ständigen Dialog der Bereiche untereinander.

Wie entstand die Idee zur Gründung der Academy?

Das geht zurück auf den früheren Vorsitzenden der Geschäftsführung unserer Stiftung, Dieter Berg. Der erste Fellow war ein kanadischer Bildungsexperte. Das war die Initialzündung. Damals konnten wir in Charlottenburg nur ein Büro nutzen. Seit dem Umzug der Stiftung in die Französische Straße in Mitte haben wir für die Academy eine ganze Etage zur Verfügung.

Es gibt in Berlin viele Akademien und Stipendienprogramme. Welchen Platz soll die Robert Bosch Academy einnehmen?

Das Besondere an unserer Academy ist, dass wir Experten einladen, die auf denselben Feldern arbeiten wie wir selbst. Die Fellows merken: Wir haben ein besonderes Interesse ganz an ihnen persönlich. Sie werden deshalb auch individuell unterstützt. Abgesagt hat uns übrigens noch keiner.

Welchen Etat hat die Academy zur Verfügung?

Für die Fellows und die Arbeit unserer Mitarbeiter stellen wir im Jahr eine Million Euro bereit, das ist schon substanziell. Aber wichtiger als die Höhe des Etats ist das internationale Netz, das auch nach dem Fellowship bestehen bleibt. Das ist der eigentliche Wert.

Herausragende Köpfe in Berlin.

Wollen Sie mit der Academy auf die Politik einwirken?

Ganz klar: ja. Unser Ziel ist es, den direkten Austausch von Erfahrungen zu organisieren und gute Ideen zu platzieren. Wenn Sie direkt mit einem Oppositionellen aus Marokko sprechen oder mit dem früheren türkischen Wirtschaftsminister Kemal Dervis, den wir als Stipendiaten hier hatten, dann bekommen Sie ein anderes Bild von der Situation als durch die üblichen Berater und Thinktanks.

Worin unterscheidet sich die Academy von einem Thinktank?

Wir beraten nicht. Wir sehen uns als Scharnier zwischen Gesellschaft und Politik, wir wollen, dass die Erkenntnisse der Fellows Resonanz finden.

Warum werden dann diese Erkenntnisse nicht regelmäßig veröffentlicht?

Die Richard von Weizsäcker Fellows arbeiten frei. Ob Roger Cohen während seiner Zeit hier für die „New York Times“ Kolumnen über Deutschland schreibt, ob Leena Srivastava aus Neu-Delhi an Umweltthemen arbeitet, ob ein Stiftungschef aus Italien Case-Studies übers Stiftungsmanagement schreibt – das ist alles ihnen überlassen, es ist alleine ihre Sache, was sie forschen und wo sie veröffentlichen.

Die Fellows haben keine Verpflichtungen, keine Erwartungen der Stiftung, die sie erfüllen müssen?

Wir erwarten von ihnen, dass sie mit uns gemeinsam konsequent ihr Wissen an die Counterparts weitergeben. Wir organisieren Treffen, Veranstaltungen, Essen, da ist eine gewisse Präsenz selbstverständlich.

Wie statten Sie die Fellows aus?

Sie bekommen ein Stipendium, dessen Höhe sich auch danach richtet, mit welchem Hintergrund sie zu uns kommen. Sie müssen ihre Unterkunft selbst bezahlen, wir suchen aber das Passende für sie heraus. Manche kommen mit ihrer Familie, manche mit ihren Tieren, manche kommen alleine, die einen möchten Kreuzberg erleben und die anderen möchten in Dahlem wohnen. Wir sind da flexibel.

Wir haben wir uns denn einen typischen Fellowtag vorzustellen?

Einen typischen Tag gibt es nicht, eine typische Woche schon eher: Ein Fellow arbeitet an mindestens drei Tagen in seinem Büro, an mindestens einem Tag ist er unterwegs, zu Meetings, Veranstaltungen, Konferenzen.

Und wie tauschen sich die Fellows untereinander aus?

Wir haben eine schöne Küche in der Academy, ein guter Ort, sich zu treffen und miteinander zu reden.

Wer entscheidet, wer Fellow wird?

Eine kleine Gruppe von drei Bereichsdirektoren tragen die Namen derjenigen zusammen, die auf ihren Gebieten führen, sie suchen also weltweit nach herausragenden Experten. Dabei ist alles erlaubt. Über diese Liste diskutiert dann die Geschäftsführung und trifft anschließend auch die Entscheidung. Das ist ein rein interner Prozess, wir haben keine externe Jury. Was hier beschlossen wird, ist genau das, was wir als Stiftung wünschen.

Ein Blick in die Zukunft

Deutsche Fellows gibt es nicht?

Die Idee ist: Wir holen Leute aus der weiten Welt. Ausnahmsweise auch mal aus Deutschland.

Wenn man sich die bisherigen Fellows anschaut, fällt auf: Da sind sehr viele bedeutende, hochrangige Persönlichkeiten dabei. Was meinen Sie, macht den Reiz dieses Stipendiums aus?

Zum einen ist es für unsere Fellows interessant, ein paar Monate aus dem Trott herauszukommen, die Zeit anders als üblich zu nutzen. Dann wissen sie sehr genau, dass wir uns gut um sie kümmern. Und die Robert Bosch Stiftung hat natürlich einen hervorragenden Ruf – hier zu arbeiten, wird durchaus als Ehre empfunden. Schließlich haben wir auch noch das Glück, dass Berlin eine enorm hohe Anziehungskraft besitzt.

Das Auswärtige Amt liegt gleich ein paar Häuser weiter. Wie gehen Sie vor, wenn Sie einen Ihrer Stipendiaten mit dem Staatssekretär zusammenbringen wollen?

Wir haben hier sehr gute Beziehungen, aber das ist oft gar nicht notwendig. Das Auswärtige Amt wünscht und sucht ja meist selbst den Kontakt zu unseren Stipendiaten.

Ihre erste Stipendiatin vor zwei Jahren war Leena Srivastava, Sie hatten sie vorhin ja bereits erwähnt. Wie würden Sie die Teilhabe an ihrem Wissen beschreiben?

Leena Srivastava hat mich unheimlich beeindruckt. Sie ist geschäftsführende Direktorin des riesigen Energy and Resources Institute, eine reine NGO. Das ist ein in der wissenschaftlichen Welt hoch anerkanntes Forschungsinstitut, das entstanden ist nur aus der Idee heraus, in Indien etwas zum Thema Umwelt zu tun. Das Institut finanziert sich nur aus Spenden. Ich kenne nichts Vergleichbares. Der Erfahrungsaustausch mit jemandem, der so etwas aufgebaut hat, ist wertvoll weit über die Zeit eines Stipendiums hinaus.

Welche Themen sehen Sie in Zukunft für die Academy?

In erster Linie diejenigen, die auch ansonsten in der Stiftung eine große Rolle spielen, das soll sich ja ergänzen. Aber wir werden uns mit dem Internet auseinandersetzen müssen. Bis vor kurzem lautete die Frage: Wie verändert der Mensch die Maschine? Heute geht es darum, wie die Maschine den Menschen verändert.

Unter dem Dach der neuen Academy wird es künftig zwei Programme geben: das Richard von Weizsäcker Fellowship und das Research Fellowship. Worin unterscheiden sich die Programme?

Beim Richard von Weizsäcker Fellowship wollen wir am Wissen der Stipendiaten teilhaben. Das Research-Programm richtet sich an Persönlichkeiten, die in der Mitte ihrer Karriere stehen und die an einem Gebiet arbeiten, das uns interessiert. Während die Weizsäcker Fellows völlig frei arbeiten, besprechen wir mit den Research Fellows das Forschungsthema. Da treffen sich unsere Interessen.

Wie evaluieren Sie die Programme der Academy?

Die eröffnen wir ja jetzt erst mal, bisher waren wir im Versuchsstadium. Zurzeit haben wir fünf Fellows, zehn sollen es einmal werden. Bis zum Ende des Jahres werden wir unsere Ziele schärfen und klar beschreiben.

Und dann planen Sie für wie lange?

Eine Robert Bosch Academy ins Leben zu rufen, das bedeutet: Wir werden das mit langer Frist verfolgen.

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