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Abschiedsgeschenk. Mit der Politik hat er selbst jetzt abgeschlossen, stellte Roland Koch noch einmal klar. Zum Ausstand liest er einmal weniger seinen Gegnern als vor allem seinen konservativen Mitstreitern die Leviten.

© dpa

Roland Koch legt Buch vor: Arbeit am Überbau

Für Roland Koch sind die Konservativen in der CDU selbst Schuld an ihrer Einflusslosigkeit. Parteifreundin Angela Merkel durfte zum Abschied das Buch des Politikaussteigers vorstellen.

Von Robert Birnbaum

Es gibt Sätze, die sind wie Schlagbäume – dahinter führt kein Weg zurück. „Ich habe mir gut überlegt, aus der Politik auszuscheiden“, sagt Roland Koch. „Ich werde diese Entscheidung nicht revidieren.“ Seit Wolfgang Schäuble wieder im Krankenhaus liegt, rumort im politischen Berlin die Mutmaßung, im Falle eines Falles werde Angela Merkel den Hessen als Finanzminister in ihr Kabinett bitten. Dass ausgerechnet die Kanzlerin an diesem Montag früh in Berlin ausgerechnet Kochs Buch mit dem obendrein so provokanten Titel „Konservativ“ vorstellt, zählte dabei zu den Indizien für einen Wiedereinstieg des Politikaussteigers. Doch Koch verurteilt nicht nur jede Debatte über Schäubles Zukunft als „unangemessen“: Gerade dieser Mann habe regelrecht einen Anspruch darauf, dass derlei unterbleibe; ein Satz, dem Merkel ausdrücklich beipflichtet. Der 52–Jährige lässt sich auch über diesen Appell an den Anstand hinaus keine Hintertür mehr offen.

Sein Buch ist infolgedessen nicht als verdeckte Bewerbung zu lesen. Eine Abrechnung ist es aber ebenfalls nicht – jedenfalls nicht mit der Frau, deren schärfster Widersacher Koch jahrelang war. Jetzt nimmt er sie in Schutz gegen die „falsche Unterstellung“, dass Merkel das Konservative nicht schätze. Ebenfalls nur in homöopathischer Dosierung kommen auf den gut 200 Seiten die üblichen gesellschaftlichen Feindbilder vor, Linke, Alt- 68er und dergleichen. Koch knöpft sich ganz andere vor. „Die Konservativen leben noch“, schreibt er. „Sie wissen nur nicht mehr so genau, warum.“

Die CDU-Vorsitzende als Laudatorin muss bei solchen Sätzen weiter nichts tun als das „dringende Interesse“ zu bekunden, „dass alle Wurzeln der Partei kräftig gedeihen“ – und ansonsten den Kronzeugen Koch ausgiebig zitieren. Einen „konservativen Reformer“ nennt der sich selbst. „Nicht heimatlos, aber planlos“ nennt er die anderen, die sich in der CDU auch noch als Konservative sehen; ihnen fehle schlicht der intellektuelle Überbau für eine gesellschaftliche Grundkonzeption. Derart unzufrieden ist Koch mit seinen potenziellen Mitstreitern, dass die aufmunternden Passagen an diesem Vormittag eher von Merkel kommen. Dass die Konservativen die Frage von Heimat und Vaterland immer auf der Agenda gehalten hätten, lobt sie. Dass die einschlägigen Parteifreunde ruhig mal die Bewahrung der Umwelt und den nachhaltigen Umgang mit der Schöpfung als konservatives Anliegen vertreten könnten, mahnt sie. Und dass die Konservativen nicht weiter bloß „mit schlechter Laune und gesenktem Haupt“ durchs Land gehen sollten, ermuntert sie.

Wenn Koch recht hat mit seiner Analyse, ist die Ermunterung dringend nötig. Was es bisher an Ansätzen zu einer geistigen Erneuerung des Konservativen gegeben habe – ungenügend, urteilt der Buchautor. Mit „Pseudochiffren“ von der „Sozialdemokratisierung der CDU“ geißele man sich selbst, „mangelnde programmatische Präsenz der Konservativen in der CDU“ mache ganze Gruppen der Gesellschaft praktisch mundtot. „Mangelnden Mut“ und bequemes Selbstmitleid kreidet Koch den eigenen Truppen an. Kurz: Die Konservativen sind selbst schuld an ihrer Einflusslosigkeit; und sollte es zu einer Partei rechts von der CDU kommen – was er sich ausdrücklich nicht wünscht –, dann trügen sie auch daran Mitverantwortung.

Es spricht viel enttäuschte Zuneigung aus solch harter Kritik. Wie um ihm recht zu geben, melden sich an diesem Montag schon erste C-Politiker zu Wort, die anders als der Bundespräsident ganz und gar nicht finden, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Koch hält sofort dagegen. Was Christian Wulff gesagt habe, das sei „Kernthese des Grundsatzprogramms der CDU seit Jahrzehnten“. Und das wisse er, Koch, besser als viele andere, weil er für diesen Teil des Programms in den letzten zwei Versionen die Federführung gehabt habe. „Ist die Christlich-Demokratische Union eine Partei für Christen?“, fragt er rhetorisch. „Die Antwort ist: Nein!“ Jeder sei willkommen. Allerdings nur, wenn er sich an die Grundregeln halte, die hierzulande gelten. Alles andere „ist nicht multikulturell, sondern schlecht“.

Das ist schon wieder so ein Satz, dem Merkel heute nur zustimmen kann. Wer die Grundwerte des Grundgesetzes nicht beachte, für den gebe es „hier keine Toleranz“, sagt die Kanzlerin.

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