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Politik: Rom: Chef des Geheimdienstsunter Verdacht

Mailand/Rom - Seit Tagen wurde darüber gemunkelt, nun ist es offiziell: Auch gegen den Direktor von Italiens Militärgeheimdienst Sismi, Nicola Pollari, laufen Ermittlungen wegen Entführung im Zusammenhang mit dem mysteriösen Verschwinden des Mailänder Imams Abu Omar vor drei Jahren. Vier Stunden lang wurde Pollari am Samstag im Mailänder Justizpalast verhört.

Mailand/Rom - Seit Tagen wurde darüber gemunkelt, nun ist es offiziell: Auch gegen den Direktor von Italiens Militärgeheimdienst Sismi, Nicola Pollari, laufen Ermittlungen wegen Entführung im Zusammenhang mit dem mysteriösen Verschwinden des Mailänder Imams Abu Omar vor drei Jahren. Vier Stunden lang wurde Pollari am Samstag im Mailänder Justizpalast verhört. Wusste er von der Entführung, hat er sie gedeckt oder selbst angeordnet? Die Verdachtsmomente gegen Pollari verstärkten sich seit der sensationellen Verhaftung seines Vizes. Der soll seinem Chef die volle Verantwortung zugeschoben haben und befindet sich inzwischen wieder auf freiem Fuß.

Europarlament und Europarat hatten monatelang das illegale Gestrüpp der CIA in einer Sonderkommission untersucht. Sollte es eine Mitwisserschaft, Duldung oder gar Komplizenschaft einzelner europäischer Staaten gegeben haben, würde dies bei eindeutiger Beweislage laut EU-Recht streng sanktioniert werden. Die Mailänder Staatsanwaltschaft sah dies ebenso. Armando Spataro, Chefankläger in Terrorismusangelegenheiten der Mailänder Staatsanwaltschaft, blieb dem illegalen Treiben der CIA auf den Fersen. Während die US-Agenten in ganz Europa anscheinend ungehindert schalteten und walteten, begingen sie in Italien einen großen Fehler. Laut Anklage entführten am 17. Februar 2003 26 CIA-Leute mit Hilfe des italienischen Militärgeheimdienstes am helllichten Tag mitten in Mailand den Imam der Stadt. Spataro hatte Abu Omar schon lange vorher im Visier; die Aktion der CIA schnappte ihm einen Verdächtigen unter der Nase weg. Es folgten einige Monate intensiver Recherchen und Spataro erhob Anklage wegen eines schweren Falls von Entführung gegen zuerst 22 und schließlich 26 CIA-Agenten. Die spektaluläre Verhaftung des Vizegeheimdienstchefs und einiger anderer Personen im Dunstkreis des Dienste folgten.

Armando Spataro hat damit offensichtlich in ein Wespennest gestochen und steht seitdem massiv unter Beschuss. Der frühere Staatspräsident Francesco Cossiga will ihn wegen Verrats von Staatsgeheimnissen anklagen lassen und wirft ihm vor, durch seine Arbeit Al Qaida zu unterstützen. Die Anwälte des Geheimdienstchefs zitieren zur Entlastung ihres Mandanten einen Brief an die Regierung, aus dem hervorgehen soll, dass diese über die bevorstehende Entführung Abu Omars informiert war. Damals war Silvio Berlusconi Premier, der vor wenigen Tagen beteuert hatte, er habe von der Zusammenarbeit von Sismi und CIA nichts gewusst. Drohend fügte er hinzu: „Jeder, der den Geheimdienst angreift, ist ein Terrorist.“ Doch exakt er selbst könnte demnächst zum Verhör gebeten werden.

Ruth Reimertshofer

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