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Beim EU-Gipfel in Brüssel kam es zu Missverständnissen und Meinungsverschiedenheiten.

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Roma-Debatte: Merkel stellt Sarkozy bloß

Frankreichs Präsident Sarkozy zitiert die Kanzlerin zu Roma-Lagern – die will dazu aber kein Wort gesagt haben. Die Europäische Kommission hält an Verfahren gegen Paris wegen der Abschiebungen von Roma fest.

Von Lutz Haverkamp

Berlin/Brüssel/Paris - Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat mit Äußerungen über Bundeskanzlerin Angela Merkel und die deutsche Roma-Politik beispiellose Irritationen zwischen Berlin und Paris ausgelöst. Die Bundesregierung wies Sarkozys Darstellung umgehend und ungewöhnlich deutlich als falsch zurück, wonach die Kanzlerin den Präsidenten auf dem EU-Gipfel über die Räumung deutscher Roma-Lager informiert haben soll.

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Freitag, die Kanzlerin und der französische Präsident hätten beim EU- Gipfel mit keinem Wort über solche Räumungen gesprochen. Auch eine Abschiebung von Roma ins Kosovo sei kein Thema gewesen. Die Bundesregierung habe „keine Erklärung“ für Sarkozy.

Auch von Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner gab es keine Bestätigung für die Darstellung seines Präsidenten. Kouchner sagte im Rundfunksender Europe 1, er habe Sarkozy und Merkel nicht darüber reden hören. „Ich habe (einer solchen Unterredung) nicht beigewohnt, obwohl ich die ganze Zeit anwesend war.“ Nach Angaben von EU-Diplomaten waren solche Ankündigungen „nicht im Entferntesten gefallen“. Sarkozy habe dies „komplett erfunden“. Das französische Präsidialamt wollte auf Nachfrage nichts zu dem deutschen Dementi sagen.

Sarkozy hatte zum Abschluss des EU- Gipfels am Donnerstag über die deutsche Roma-Politik erklärt: „Madame Merkel hat mir ihren Willen bekundet, in den kommenden Wochen mit der Evakuierung von Lagern voranzuschreiten.“ Er habe in dem Streit um die französische Abschiebepraxis wieder einmal den vollen Rückhalt der Kanzlerin.

Regierungssprecher Seibert trat dem Eindruck entgegen, die widersprüchlichen Äußerungen könnten das Verhältnis der beiden wichtigen EU-Partner belasten. „Die deutsch-französischen Beziehungen sind absolut gesund“, sagte auch Außenminister Guido Westerwelle. Das Ganze sei ein „Missverständnis“. EU-Justizkommissarin Viviane Reding bekräftigte unterdessen ihre Kritik an Frankreich und hielt an dem Vertragsverletzungsverfahren fest.

Nach Angaben des Zentralrats der Sinti und Roma gibt es in Deutschland keine illegalen Lager wie in Frankreich, in denen die Volksgruppen leben. Ihm sei „keines bekannt“, sagte der Zentralratsvorsitzende Romani Rose dem MDR. Für ihn sei es daher „sehr überzeugend“, dass Merkel nichts über eine angebliche Räumung von Lagern gesagt habe. In Einzelfällen würden Roma auch in der Bundesrepublik diskriminiert. Das sei aber nicht vergleichbar mit der „kriminalisierenden Kampagne“ der französischen Regierung. Auch gebe es in Deutschland keine Massenabschiebungen. In Frankreich gibt es rund 600 illegale Lager, in denen hauptsächlich Sinti und Roma aus Bulgarien und Rumänien leben, die nach dem EU-Beitritt der beiden Länder Anfang 2007 nach Frankreich gekommen sind. (mit dpa)

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