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Politik: Rot-Grün will später sparen

Harte Einschnitte erst ab 2005, um „Spielräume für Investitionen“ zu schaffen / Neue Steuerausfälle befürchtet

Berlin. Rot-Grün geht vom strikten Sparkurs ab. Zum Auftakt der entscheidenden Finanzberatungen der Koalition am Samstag hieß es, am Ziel eines nahezu ausgeglichenen Etats 2006 solle zwar festgehalten werden, die Etappen dorthin sollten aber variabler gestaltet werden, um „Spielräume für Investitionen“ zu erhalten. Demnach soll 2003 und 2004 weniger, danach aber umso mehr gespart werden. Die Koalitionspartner verständigten sich darauf, die Defizitgrenze des EU-Stabilitätspaktes von drei Prozent einzuhalten, ließen jedoch Spielraum für Interpretationen. Kapitalgesellschaften sollen eine Mindeststeuer zahlen.

Von H. Monath, R. v. Rimscha und A. Sirleschtov

Koalitionskreise interpretierten die Aufweichung des Sparzieles als Rückschlag für Finanzminister Hans Eichel. Dessen Forderung nach Einsparungen von 14,2 Milliarden Euro für 2003 bleibt aber bestehen. Hiervon sind zehn Milliarden noch nicht gegenfinanziert. Derweil mehren sich in der SPD die Stimmen, die wegen der katastrophalen Lage der Bundesfinanzen drastische Verfahrensschritte für nötig halten. Vorgeschlagen wird, die Verabschiedung des Etats 2003 zu verschieben. Grund ist die Furcht vor weiteren Steuer-Löchern.

Der SPD-Haushaltspolitiker Hans Georg Wagner sagte dem Tagesspiegel am Sonntag zur Verabschiedung des nächsten Bundeshaushalts: „Es ist sinnvoll, die Steuerschätzung im nächsten Mai abzuwarten." Er gehe davon aus, dass die Steuerschätzer im November feststellen, dass die Einnahmen 2002 und 2003 noch „weit unter der Schätzung im vergangenen Mai“ liegen. Mit Blick auf die über das gesamte Wochenende laufenden Sparverhandlungen sagte Wagner, die Haushaltspolitiker der Regierung seien sich bereits darüber einig, dass die Etat-Ansätze für Hermes-Bürgschaften und Zahlungen an die EU überprüft werden.

Konkrete Entscheidungen zur Finanzierung der Etatlücke von zehn Milliarden Euro stellte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering für Sonntag in Aussicht. Das zur Disposition stehende Paket umfasse „30 bis 40 Maßnahmen“ vom Wegfall bestimmter Steuervergünstigungen – auch bei der Umsatz- und Mineralölsteuer – bis hin zu Maßnahmen wie die Heraufsetzung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Trinkwasser. Auch die Eigenheimförderung und die Entfernungspauschale stehen zur Debatte.

„Wir werden nicht den bequemen Weg gehen“, sagte Grünen-Chef Fritz Kuhn. Neben einer Mindeststeuer für Kapitalgesellschaften, die bereits vereinbart sei, werde es auch Kürzungen im Sozialbereich geben. Man wolle „gerecht sparen um zu investieren“. Als Leitlinie der Finanzpolitik der Regierung nannte Kuhn „Wachstum und Beschäftigung“. Mit dem Festhalten an der Etatkonsilidierung 2006 und der variableren Gestaltung der dazwischen liegenden Jahre habe man Spielräume gewonnen, in Zeiten schwacher Konjunktur auf wachstumshemmendes Sparen zu verzichten und dies bei anspringender Konjunktur nachzuholen. Eine konkrete Defizitlinie in der mittelfristigen Finanzplanung sei noch nicht verabredet worden. Im Koalitionsvertrag soll auch die Aufforderung an die Europäische Zentralbank formuliert werden, den Konsolidierungskurs der Regierung „geldpolitisch zu begleiten“.

Steuersündern drohte Grünen-Chef Kuhn mit konsequenterer Verfolgung. „Wir sagen der Steuerhinterziehung effektiv und energisch den Kampf an“.

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