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Politik: Rot-Grün will Volksabstimmungen bundesweit

SPD und Grüne wollen noch vor der Bundestagswahl die Möglichkeit für Volksabstimmungen auf Bundesebene schaffen. Peter Struck und Kerstin Müller, die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, stellten am Donnerstag ihren Entwurf für eine Änderung des Grundgesetzes vor.

SPD und Grüne wollen noch vor der Bundestagswahl die Möglichkeit für Volksabstimmungen auf Bundesebene schaffen. Peter Struck und Kerstin Müller, die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, stellten am Donnerstag ihren Entwurf für eine Änderung des Grundgesetzes vor. "Wir greifen damit das Wort von Willy Brandt auf - mehr Demokratie wagen", sagte Struck. Wenn das Gesetz beschlossen würde, könnten die Bürger künftig per Volksinitiative Themen auf die Tagesordnung des Bundestages setzen und in einem weiteren Schritt einen Volksentscheid über Gesetzentwürfe verlangen. Für die Einführung der Volksabstimmungen braucht die Koalition allerdings eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die CDU lehnte den Entwurf in ersten Stellungnahmen ab.

"Wir wollen die Möglichkeiten der Einmischung von unten verbessern", sagte Kerstin Müller. Andere Länder wie die Schweiz oder Irland hätten gute Erfahrungen mit Elementen der direkten Demokratie gemacht. Struck sagte, der zwischen Rot und Grün vereinbarte Entwurf stelle sicher, dass Deutschland nicht zur Stimmungsdemokratie werde. Schließlich dauere das Verfahren eineinhalb bis zwei Jahre. In diesem Zeitraum könnten Debatten geführt werden. "Wir müssen vor keinem Thema Angst haben", sagte Struck. Er forderte die Union auf, Farbe zu bekennen. Schließlich hätten sich auch CDU-Politiker immer wieder für mehr Bürgerbeteiligung ausgesprochen.

Der SPD-Politiker Hermann Bachmaier, der für die SPD-Fraktion den Gesetzentwurf mit den Grünen ausgehandelt hat, zeigte sich kompromissbereit, was die Details des Gesetzes angeht. "Wir sind offen für alle Vorschläge, um die Zweidrittel-Mehrheit zu erreichen", sagte Bachmaier. In der Vergangenheit war unter den Befürwortern der Volksabstimmungen - auch zwischen SPD und Grünen - stets umstritten, wie viele Wähler sich an einer Volksabstimmung beteiligen müssen, damit sie verbindlich wird, und über welche Themen nicht abgestimmt werden darf. Der Gesetzentwurf schließt Volksentscheide über den Bundeshaushalt, über Steuergesetze, die Bezahlung und die Pensionen von Beamten, den rechtlichen Status von Bundestagsabgeordneten sowie die Wiedereinführung der Todesstrafe aus. Struck und Müller betonten jedoch, dass Grundrechte weiterhin vom Grundgesetz geschützt seien und deshalb per Volksabstimmung nicht geändert werden könnten.

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach, lehnt den Gesetzentwurf grundsätzlich ab. Die Koalition könne nicht glauben, dass sich eine so weitreichende Grundgesetzänderung kurz vor der Wahl durch den Bundestag peitschen lasse, sagte Bosbach. "Die Statik des Grundgesetzes, hat sich in den vergangenen 52 Jahren bewährt." Es lohne sich aber über die Einführung von Massenpetitionen oder Volksinitiativen nachzudenken. Wenn sich Bürger massenhaft an das Parlament wenden, könnte es sinnvoll sein, dass sich das Parlament mit den Initiativen befassen muss. Darüber sei eine Einigung mit der Koalition vorstellbar, nicht aber über die Einführung von Volksbegehren oder Volksabstimmungen.

Demokratie direkt

Der rot-grüne Gesetzentwurf sieht direkte Demokratie in drei Schritten vor: Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. Wenn 400 000 Wahlberechtigte ihre Unterschrift für einen Gesetzentwurf abgeben, muss sich der Bundestag mit dieser Volksinitiative beschäftigen. Wenn der Bundestag das Gesetz nicht innerhalb von acht Monaten angenommen hat, kann ein Volksbegehren eingeleitet werden. Dafür müssen innerhalb von sechs Monaten fünf Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben. Das sind etwa drei Millionen Unterschriften. Kommen die zusammen, findet innerhalb von sechs Monaten ein Volksentscheid statt. Wie bei einer Bundestagswahl werden alle Wahlberechtigten in die Wahllokale gerufen. Mindestens 20 Prozent der Wähler müssen sich an der Abstimmung beteiligen. Wenn die Mehrheit der Teilnehmer am Volksentscheid für den Entwurf stimmt, wird er zum Gesetz. Bei Grundgesetzänderungen müssen 40 Prozent der Wahlberechtigten zur Abstimmung gehen, zwei Drittel von ihnen müssen zustimmen. Bei Gesetzen, denen der Bundesrat zustimmen muss, braucht das Gesetz in so vielen Bundesländern Zustimmung, dass theoretisch eine Mehrheit im Bundesrat erreicht ist. Der Bundestag hat das Recht beim Volksentscheid einen Gegenentwurf mit zur Abstimmung zu stellen. sac

Sascha Klettke

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