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Politik: Rot-grüne Narrenzeit

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Richtig glauben wollte man es ja nicht. Weder im Wahlkampf noch in der Zeit der Koalitionsverhandlungen und auch nicht nach der Regierungserklärung des Bundeskanzlers.

Von Antje Sirleschtov

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Richtig glauben wollte man es ja nicht. Weder im Wahlkampf noch in der Zeit der Koalitionsverhandlungen und auch nicht nach der Regierungserklärung des Bundeskanzlers. Klar war da viel vom „Gürtel enger schnallen“ und „es sind harte Zeiten“ die Rede. Aber Reformen und Abspecken, das weiß man ja schließlich, das sind Begriffe, die in der Politik so häufig benutzt werden wie sie auch wieder folgenlos verschwinden. Doch nun führt kein Weg mehr an der bitteren Erkenntnis vorbei. Jetzt ist Schluss mit lustig. Am Mittwochmorgen gab das Bundespresseamt bekannt, dass Gerhard Schröder dem traditionellen Karnevalsempfang Ende Februar in Bonn fernbleiben wird. Der Kanzler habe „vorgeplante Termine“, hieß es. Was auf den ersten Blick wie eine verzeihbare Selbstverständlichkeit im übervollen Terminkalender des Regierungschefs aussieht, muss bei genauerer Betrachtung als politisches Signal gewertet werden. Und das heißt: Statt rheinischem Frohsinn regiert nun preußische Disziplin das Land. Aus kurz berockten Funken-Mariechen werden jetzt Kindergärtnerinnen, die in Ganztagsschulen nachmittags mit den lieben Kleinen das Wort „Pisa“ buchstabieren. Und tausende „Profis der Nationen“ werden sich an dem Tag, den das alte Deutschland „Rosenmontag“ nannte, hinter Peter Hartz scharen und mit dessen Konzept in der Hand durch die Straßen marschieren. Statt Kamelle werden sie Broschüren zur Gründung von Ich-AGs unter das Publikum werfen. Jeder Zehnte der dem Hartz-Zug Zujubelnden wird mit einem Niedriglohnjob im Haushalt eines Bundestagsabgeordneten belohnt. Und statt „Helau“ ruft man sich nun in der Narrenzeit „Rot-Grün“ entgegen.

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