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Bodo Ramelow

© Martin Schutt/dpa

Rot-Rot-Grün in Thüringen: Wie Bodo Ramelow der SPD im Bund helfen könnte

Keine bundespolitischen Auswirkungen - SPD, Linke und Grüne spielen das "Signal von Erfurt" unisono herunter. Im Verhältnis der drei Parteien könnte sich trotzdem etwas ändern.

Von Matthias Meisner

Es ist nur ein Teilschritt, meint Gregor Gysi. Am Freitag in Erfurt, kurz vor der Wahl seines Parteifreundes Bodo Ramelow zum ersten Linken-Ministerpräsidenten, zählt der Vorsitzende der Bundestagsfraktion auf, was jetzt alles noch ausstehe: eine Regierungsbeteiligung der Linken in Westdeutschland, der Einzug der Partei in den bayerischen Landtag, Rot-Rot-Grün („r2g“) im Bund. „Und schließlich der erste linke Kanzler“, fügt er hinzu. „Aber dann bin ich schon lange tot.“
Ist mit der Wahl von Ramelow zum Chef einer rot-rot-grünen Regierungskoalition ein Bündnis in denselben Farben 2017 wahrscheinlicher geworden? Unionspolitiker, die die Wahl von Ramelow als „Schande“ und „Tiefpunkt der politischen Kultur“ anprangerten, befeuern eine solche Debatte. Bei SPD und Grünen glaubt nur eine kleine Minderheit, dass „r2g“ in Erfurt die Fantasie beflügele, wie es etwa der NRW-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe ausdrückt. Er kämpft seit Jahren für diese Konstellation.
Die Spitzen aber leugnen Auswirkungen auf die Bundespolitik. Thomas Oppermann, Chef der SPD-Bundestagsfraktion, lobt zwar die Linke als „pragmatische Partei in Ostdeutschland“ – das aber ist seit Jahren schon offizielle Parteilinie. Was die Bundes-Linke angeht, betont er, diese sei nicht in der Lage, außenpolitisch verantwortlich zu agieren, „komplett regierungsunfähig“.

Immerhin: „Vielleicht gibt es ja jetzt Impulse aus Thüringen, die auch die Bundespartei beeinflussen.“ Dass es ohne Linken-Beteiligung für die SPD 2017 kaum möglich sein wird, einen Kanzler zu stellen, wissen deren Strategen natürlich auch. Vor allem Parteichef Sigmar Gabriel, der potenzielle Kandidat. Er verneint zwar Auswirkungen auf die große Koalition im Bund, rügt aber eine „abenteuerliche Hysterie um die Koalitionsbildung in Thüringen“. Diese Aufregung, so Gabriel zur „FAZ“, sei für ihn „eher das Zeichen, dass auf Bundesebene nicht nur die Linkspartei noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist, sondern auch viele ihrer Kritiker nicht“.

Katrin Göring-Eckardt: Kein Modell für den Bund

Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt unterscheidet klar. Sie hat das Bündnis in Thüringen mit ausgehandelt – und sich am Vorabend der Ramelow-Wahl bei „Maybrit Illner“ mit Ex-Linken-Chef Oskar Lafontaine herumschlagen müssen. „Ganz klar“, betont sie, Erfurt sei „kein Modell für den Bund“. Ihre Argumente: israelfeindliche Parolen, unverantwortliche Finanz- und Haushaltspolitik. „Und natürlich trennt uns extrem viel, was die Außenpolitik angeht.“ Die Zahl der Anhänger eines „r2g“-Projekts ist bei den Grünen im Bund ohnehin überschaubar – viele favorisieren eher die schwarz-grüne Option.

Auch führende Linken-Politiker erwarten nicht unmittelbar Weichenstellungen für Rot-Rot-Grün im Bund. „Was 2017 ist, ist noch so weit weg“, meint Fraktionsvize Dietmar Bartsch im Deutschlandfunk. Und Parteichef Bernd Riexinger sagt dem Tagesspiegel: „Niemand sollte voreilig etwas ausschließen. Aber es gibt keinen Automatismus.“ Strahlkraft von Rot-Rot-Grün komme über den Erfolg, „daran müssten jetzt alle miteinander arbeiten“. Spannend für ihn werden die Landtagswahlen 2016 in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Der Linken-Chef spricht von „Richtungswahlen“. Und erläutert: „Dann geht es dreimal um die Ablösung von großen Koalitionen und überall ist Rot-Rot-Grün die einzige Alternative.“

Sahra Wagenknecht stellt Bedingungen an die SPD

Gysis Stellvertreterin Sahra Wagenknecht will der SPD am Tag nach Erfurt kein Freundschaftsangebot unterbreiten. Sie stellt lieber Bedingungen: „Bundespolitische Folgen kann das allerdings erst dann haben, wenn die SPD auch hier ihren Kurs ändert. Befürwortung sogenannter Freihandelsabkommen, weitere Rentenkürzungen oder Ablehnung der Vermögenssteuer, das wäre mit der Linken nicht zu machen.“
Bodo Ramelow indes wird künftig in Berlin wieder häufiger zu sehen sein. Für Donnerstag hat Angela Merkel alle Ministerpräsidenten ins Kanzleramt eingeladen – da ist er mit dabei. Der Linke betont auf die Frage nach bundespolitischen Auswirkungen des neuen Regierungsbündnisses: „Diese Koalition ist ein Signal für Thüringen.“ Mit Blick auf den Bundesrat betont er allerdings auch: „Ich denke, ich werde mich in der Riege der A-Länder“ – also der SPD-geführten Bundesländer – „sehr wohl fühlen.“

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