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Rot-Rote Krise: Wie groß ist die innere Zerissenheit der Linken?

Der Berliner Linken-Abgeordnete Carl Wechselberg kritisiert die "Radikalisierung" seiner Bundespartei. Was ist an diesen Vorwürfen dran, und wie groß sind die innerparteilichen Unstimmigkeiten?

Populistisch, sektiererisch, immer radikaler – die Liste der Vorwürfe, die der Berliner Linken-Abgeordnete Carl Wechselberg gegen seine Bundespartei erhebt, ist lang. Der 40-jährige Realpolitiker und Haushaltsexperte, der sich als einen der „überzeugtesten Verfechter des rot-roten Projekts in Berlin“ bezeichnet, klagt, dass Parteichef Oskar Lafontaine und die Bundespartei zu viel Druck auf den Landesverband ausgeübt hätten.

Seit sich PDS und WASG , die sich aus Opposition gegen Gerhard Schröders Agenda-Reformen gegründet hatte, zur Linken vereinigt haben, wird über den Kurs der neuen Partei erbittert gestritten. Wie radikal soll sich die Linke präsentieren oder wie alltagstauglich? Pragmatische Politiker aus dem Osten kämpfen gegen Altkommunisten, Gewerkschafter und enttäuschte Ex-Sozialdemokraten wiederum gegen DDR-Nostalgiker.

Der Streit um die Ausrichtung der Partei macht sich zum einen an der Frage fest, ob die Linke sich an Regierungen beteiligen oder doch besser auf Fundamentalopposition setzen sollte. Im Wahljahr 2009, mitten in der Wirtschaftskrise, ist aber auch eine Debatte darüber entbrannt, mit welchen Parolen die Linke auf Stimmenfang gehen sollte. In den Umfragen stagniert die Partei um die zehn Prozent, ob sie von der Krise profitieren wird, ist ungewiss.

Je mehr die anderen Parteien auch von Enteignung und einer veränderten Wirtschaftsordnung reden, desto radikaler müsse sich die Linke präsentieren, mahnen die Vertreter der ultralinken Strömungen. Die Linke müsse ihr „widerständiges, aufrührerisches, systemoppositionelles Profil“ verstärken, fordert etwa Sahra Wagenknecht, Wortführerin der Kommunistischen Plattform. Auch in der Sprache müsse sich die Linke von anderen Parteien unterscheiden – „Ganoven“ und „soziale Verbrechen“ müssten auch als solche benannt werden. Das alles soll sich nach ihren Vorstellungen auch im Programm für die Bundestagswahlen widerspiegeln, über das der Parteivorstand an diesem Sonntag beraten wird. Ein bisschen mehr Zuspitzung bei den Formulierungen hält Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi für zulässig. Denn: „Die Verhältnisse haben sich zugespitzt“, sagt der frühere Berliner Wirtschaftssenator.

Doch bei aller Bereitschaft zur Zuspitzung – im Hintergrund arbeitet die Parteispitze daran, dass das Wahlprogramm nicht mit abstrusen Forderungen überfrachtet wird. „Ich werde mich sehr für das Programm engagieren“, kündigt Gysi an. Auch Parteichef Oskar Lafontaine, der auf Kundgebungen gerne zu populistischen Formulierungen greift, will ein Wahlprogramm, das eine breitere Wählerschaft ansprechen kann. Bei einem Strategietreffen am Dienstagabend verabredeten führende Linken-Politiker, welche Forderungen sie auf jeden Fall durchsetzen wollen. So wehrt sich Lafontaine etwa dagegen, dass der Begriff der „Auflösung“ der Nato im Programm landet.

Doch zugleich hat Lafontaine in den vergangenen Jahren mit seinem Hang zum Demagogischen immer wieder dafür gesorgt, dass sich gerade im Ostteil seiner Partei ein Unbehagen über den Auftritt der Linken breitgemacht hat. Seine „Fremdarbeiter“-Bemerkung 2005 hat vielen gezeigt, wie skrupellos er als Redner sein kann.

Deshalb mahnen ostdeutsche Landespolitiker immer wieder, dass die Linke ihre Wähler nicht durch unrealistische Forderungen oder einen übermäßig populistischen Stil verprellen sollte. Auch habe sich das Verhältnis zwischen Berliner und Bundes-Sozialisten erheblich verbessert, sagt die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch, Chefin der Linken in Berlin-Lichtenberg. Es sei ja nun nicht so, „dass Lafontaine am linken Rand der Partei steht“. Andere Berliner Sozialisten erinnern sich zwar gut und ungern daran, dass Lafontaine dem mitregierungsbereiten Landesverband vor Jahren mehrfach „in die Kniekehlen gegrätscht“ sei, sagt ein führender Linker. Doch sei er eben auch ein paar Mal auf Landesparteitagen mit seiner Art der Einmischung von oben „abgeblitzt“. Er habe sich daraufhin „lernfähig“ gezeigt, sagt der Berliner Linken-Abgeordnete Udo Wolf. Das wiederum habe die führenden Berliner Linken darin bestärkt, dass man mit Stabilität und Stärke „für seinen Weg viel besser werben kann“, wie ein Parteistratege sagt. Auch sei Lafontaine, seit er selbst wieder das Regieren im Saarland anstrebe, in Sachen Regierungsbeteiligung nicht mehr so kritisch.

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