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Nuon Chea (rechts) und Khieu Samphan.

© Reuters

Rote Khmer: Das Ende von Pol Pots Schergen

Ein Gericht in Kambodscha verurteilt die letzten lebenden Anführer der Roten Khmer. Nuon Chea und Khieu Samphan müssen lebenslang ins Gefängnis.

Zuletzt waren nur zwei Angeklagte übrig geblieben, als nach dreieinhalb Jahrzehnten schließlich Gerechtigkeit gesprochen wurde: Ein internationales UN-Tribunal in Phnom Penh hat die letzten noch lebenden Schergen von Pol Pot nach einem dreijährigen Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt. Hinter schusssicherem Glas, vom Publikum abgetrennt, verlas Chefrichter Nil Nonn das Urteil, wonach die beiden Anführer der Roten Khmer Teil einer „kriminellen Vereinigung“ gewesen seien, die das kambodschanische Volk „systematisch attackiert“ habe.

Die Terrorherrschaft der Roten Khmer von 1975 bis 1979 hatte rund 1,7 Millionen Menschenleben gefordert. An der Schuld von Nuon Chea (88) dem ehemaligen Chefideologen, und Khieu Samphan (83), dem nominellen Staatsführer des Mörderregimes, hatten nie Zweifel bestanden. Doch das immer wieder verschleppte Verfahren war ein Rennen gegen die Zeit gewesen. Der zunächst ebenfalls angeklagte, vormalige Außenminister Ieng Sary verstarb 2013 und gegen dessen an Alzheimer erkrankte Frau Ieng Thirith, ehemalige Sozialministerin des Regimes, musste die Anklage fallengelassen werden.

Verteidiger wollen in Berufung gehen

Im Rückblick gesehen ist schon als Erfolg zu bewerten, dass die Richter überhaupt zu einem Urteilsspruch kamen; war der Prozess doch schon vor seinem Beginn von Finanzierungsproblemen und Streitigkeiten zwischen kambodschanischen und ausländischen Richtern geprägt. Die Anwälte der Verurteilten kündigten umgehend Berufung an. So war Khieu Samphan während des Prozesses von Zeugen entlastet worden, die glauben, dass der frühere Lehrer und Abgeordnete nichts von den Mordplänen der Führungsspitze um Diktator Pot wusste.

Nuon Chea argumentierte bis zum Schluss, dass beispielsweise die Zwangsevakuierung von Phnom Penh 1975 aus „Güte und Barmherzigkeit“ erfolgt sei, weil die Führung eine Bombardierung der Hauptstadt durch US-Kampfflieger befürchtet habe. Nichtsdestotrotz soll ein zweiter Prozess zu den Vorwürfen des Genozids folgen. Die Anhörungen dazu haben bereits begonnen, doch der Rahmen des neuen Verfahrens ist vage und viele in Kambodscha sind überzeugt, dass die beiden immer wieder hospitalisierten Greise Chea und Samphan den Tag einer neuerlichen Verurteilung nicht mehr erleben werden.

Die Jugend interessiert es kaum

Im Land herrscht dennoch Genugtuung, dass die beiden Männer „nie wieder freikommen“, wie Youk Chhang sagt, der zu den aus Phnom Penh Vertriebenen gehörte und später ein Dokumentationszentrum über den Genozid gründete. „Wenn sie tot sind, soll ihre Asche in den Zellen bleiben“, so Norng Chan Phal, dessen Eltern im berüchtigten Foltergefängnis Tuol Sleng ermordet wurden. Beim Prozess ging es von Anfang an um eine eher symbolische Aburteilung einer Ära, mit der die meisten Kambodschaner längst abgeschlossen zu haben scheinen.

Die junge Bevölkerung der aufstrebenden Nation zeigte kaum Interesse. Auch die Hauptnachrichten am Donnerstag gingen nur am Rande auf das Urteil ein. Die 24-jährige Nuon Chantha weiß von älteren Menschen, dass die Roten Khmer „sehr schlimm waren und viele töteten“. Sie habe aber keine Zeit darüber nachzudenken, weil sie den ganzen Tage arbeite.

Daniel Kestenholz

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