zum Hauptinhalt

Politik: Rote Mutprobe

Sachsens SPD hat keine großen Erwartungen – Spitzenkandidat Jurk kämpft gegen ein einstelliges Ergebnis

Von Matthias Meisner

Er hätte der Retter der sächsischen SPD sein sollen – jetzt soll er Thomas Jurk wenigstens im Wahlkampf helfen. „Was bringt uns Hartz IV?“ soll Wolfgang Tiefensee, der populäre Leipziger Oberbürgermeister, im Brauhof von Freiberg, einem kleinen Städtchen zwischen Dresden und Chemnitz, erklären. Jener Mann also, den der SPD-Landesverband so gern zum Spitzenmann bei der Landtagswahl gekürt hätte, der den eigenen Genossen aber schon früh einen Korb gab.

Tiefensee findet es „ziemlich mutig“, zu diesem Thema eine Wahlkampfveranstaltung zu machen. Doch Mut gehört wohl sowieso dazu, sich in Sachsen für eine Partei einzusetzen, die dort so schlecht dasteht wie in keinem anderen Bundesland. An die in der Bundes-SPD keiner mehr glaubt und die jetzt versucht, ihr historisches Tief von 1999 zu überbieten. „10,7 plus x“ nennen die Wahlkämpfer als Vorgabe. Und der Leipziger Oberbürgermeister, der lange zum Häuflein der Hoffnungsträger der Ost-SPD gehörte, passt sich dieser neuen Bescheidenheit an. Wichtig sei, schließt Tiefensee seine Rede, dass es in Sachsen „eine starke Sozialdemokratie gibt, eine starke Opposition“.

Nicht mal vom Mitregieren der SPD also ist noch die Rede. Und das im einst „roten Sachsen“, wo die Sozialdemokraten seit der Wende allen Misserfolgen zum Trotz weiterkämpfen so gut es geht. Der bundespolitische Gegenwind ist das eine, die Machtkämpfe im Landesverband das andere. Erst im Januar hatte Thomas Jurk den Richtungsstreit mit der Landesvorsitzenden Constanze Krehl für sich entscheiden können, anders als sie wollte er ein Bündnis mit der PDS nicht ausschließen. Krehl ging im Zorn. Inzwischen will sich auch der kommissarische Landeschef Jurk nicht mehr zur Koalitionsfrage äußern. Es wäre „zu viel Kraftmeierei“, vor dem Wahltag über Regierungsbündnisse zu sprechen, winkt er ab. Von einem Ministerpräsidentenkandidaten ist bei den Auftritten keine Rede. Mit Blick auf den drohenden Einzug der NPD in den Landtag wäre Jurk schon froh, wenn die Leute überhaupt zur Wahl gehen würden. Seine Wahlhelfer sind entsprechend eingestimmt – und brechen bereits in Jubel aus, wenn zwischen zwei Auftritten auf der „New Jurk Tour“ verkündet wird, dass die SPD laut neuer Umfrage auf 14 Prozent kommen könnte.

Jurk derweil pflegt sein Image – als bodenständig will er gelten. „Zuhören, verstehen, bewegen“, haben die Werber an seinen roten Wahlkampfbus geschrieben. Wenigstens das mit dem Zuhören stimmt – egal, ob er nun ein Ausbildungszentrum, ein Theater, oder, als ob das der Sachsen-SPD helfen könnte, ein Krankenhaus besucht. Mit dem Bewegen werden die Dinge schwieriger. „Nach Berlin“ solle er die Sorgen mitnehmen, sagen die Berufsausbilder aus Brand-Erbisdorf – obwohl es doch um die Dresdner Landtagswahl geht. Und die Lehrlinge geben zu, „nicht so richtig“ zu wissen, wer da überhaupt gerade zu ihnen gesprochen hat.

Jurk bleibt tapfer. Langfristig, so glaubt er, werde es sich durchsetzen, die „Wahrheiten ungeschminkt zu sagen“. Auf einen Wahlhelfer aus Berlin wollte er dennoch verzichten – Wolfgang Clement. Der kam dann doch auf seiner Ausbildungstour in Jurks Wahlkreis in der Lausitz vorbei. Der sächsische Spitzenkandidat hat das aber erst im Nachhinein in der Zeitung gelesen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false