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Politik: Rote Rosen und Tumulte

In Georgien legt Präsident Saakaschwili den Amtseid ab. In einer abtrünnigen Provinz kam es zu Ausschreitungen

Nicht im Parlament, sondern auf dem Platz davor legte der mit 36 Jahren jüngste Staatschef Europas seinen Amtseid ab: Michail Saakaschwili, für den am 4. Januar rund 96 Prozent der Georgier gestimmt hatten. Binnen kurzem schon die zweite Geste, die auch äußerlich einen radikalen Kurswechsel signalisieren soll. Nach der Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses hatte Saakaschwili seinen Verzicht auf die luxuriöse Residenz verkündet. Seine Familie würde in ihrer bescheidenen Wohnung in Tiflis bleiben.

Tausende hatten sich versammelt, als die neue Staatsflagge sowie das EU-Sternenbanner und die georgische Verfassung vor dem Präsidenten hergetragen wurden. Für Saakaschwili standen Kinder und Soldaten mit roten Rosen Spalier – Symbol für den unblutigen Machtwechsel im November.

Georgien setze konsequent auf Integration in die EU, betonte Saakaschwili in seiner Antrittsrede. Der neue Präsident will sein Land auf einem Westkurs halten – und gleichzeitig das Verhältnis zu Russland verbessern. Unter den 500 ausländischen Gästen, die der Zeremonie beiwohnten, waren auch US-Staatssekretär Colin Powell und Russlands Außenminister Igor Iwanow. Beide treffen an diesem Montag in Moskau zu Konsultationen zusammen (siehe Kasten).

Sein innenpolitisches Programm hatte Saakaschwili bereits am Samstag umrissen. Am Grab von König David dem Erbauer, der im 11. Jahrhundert erstmals die drei georgischen Teilfürstentümer zu einem gemeinsamen Staat vereinigte, schwor der neue Präsident, die staatliche Einheit wiederherzustellen. Einen ersten Teilsieg konnte er dabei unmittelbar vor seiner eigentlichen Amtseinführung bereits verbuchen. Am Sonntagmorgen nahm er in Batumi, der Hauptstadt der Schwarzmeer-Autonomie Adscharien, in der muslimische Georgier die Bevölkerungsmehrheit stellen, eine Militärparade ab. Eine kleine Sensation: Adschariens Präsident Aslan Abaschidse hatte Tiflis immer neue Souveränitätsrechte abgerungen, sei es durch selbsterklärte Steuerhoheit oder eine eigene Nationalgarde. Nach dem Sturz Schewardnadses verhängte er über Adscharien sogar den Ausnahmezustand, ließ die Grenzen schließen und boykottierte indirekt die Neuwahlen.

Während Saakaschwilis Besuch in Adscharien kam es zu Auseinandersetzungen mit mindestens 15 Verletzten. Im Stadtpark waren 20 000 Oppositionelle, die mit Saakaschwili sympathisieren und mehr Demokratie und den Rücktritt Abaschidses fordern, mit dessen Anhängern aneinander geraten. Die Ordnungskräfte in Tiflis fürchteten offenbar ähnliche Szenen und hatten daher bei den Feierlichkeiten am Nachmittag Scharfschützen auf den Dächern postiert.

Vor den Feierlichkeiten hatte Powell Schewardnadse, der am Sonntag 76 Jahre alt wurde, zum Geburtstag gratuliert. Der Amtsvorgänger war zu den Feierlichkeiten nicht geladen. Ihm droht zudem Enteignung im Rahmen eines Anti-Korruptionsprogramms, das Saakaschwili gleich nach seinem Wahlsieg ankündigte. Mehrere Auslandskonten seiner Familie wurden bereits gesperrt. Schewardnadses einstige Hausmacht allerdings reorganisiert sich momentan und will bei der Wiederholung der Parlamentswahlen am 28. März Kandidaten ins Rennen schicken.

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