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Politik: Rudolf Scharping, die Feuerpause der Nato und andere Finten

BONN . Die Herren bei der Nato amüsierten sich königlich.

Von Robert Birnbaum

BONN . Die Herren bei der Nato amüsierten sich königlich. So, da habe also ein deutscher General gerade das Ende des Luftkriegs verkündet? "Als ich Shape (das Hauptquartier) verlassen habe, waren noch Gefechte im Gange", sagt Generalmajor Walter Jertz. Und Nato-Sprecher Shea zitiert den Satiriker Mark Twain: "Berichte über mein Ableben sind deutlich übertrieben." Später hat Jertz endlich die ersten Meldungen mit dem Wortlaut dessen in der Hand, was der Bundeswehr-Generalinspekteur Hans-Peter von Kirchbach am Mittwoch auf der Hardthöhe gesagt hat. "Die Luftangriffe sind faktisch eingestellt", liest der deutsche Nato-Militärsprecher vor. Und gönnt sich ebenfalls einen Lacherfolg beim Brüsseler Pressecorps: "Der deutsche General hat es gesagt, aber er hat es nicht gemeint."

Nun wäre es nicht der Rede wert, wenn ein General etwas Falsches sagt. Aber sein Minister hat kurz danach auch etwas gesagt, nämlich dies: "Die Nato hat mit dem faktischen Verzicht auf Angriffsmaßnahmen seit 9 Uhr eine von den Serben hoffentlich gut verstandene Maßnahme ergriffen." Also bombardiert die Nato wirklich nicht mehr? Eilige Meldungen gehen in die Welt hinaus. Andere eilen aus Brüssel nach Bonn: "Nato dementiert Feuereinstellung." Was er denn dazu sage, wird Scharping gefragt: "Ich habe keinen Anlaß, an den Angaben des Generalinspekteurs zu zweifeln."

Hatte er aber doch. Inzwischen räumt man auf der Hardthöhe ein, daß Kirchbach sich "nicht so ganz korrekt" ausgedrückt habe. "Einstellen" nämlich sei ein förmlicher Akt, und der liege in der Hand der Nato. Scharping habe hingegen zutreffend formuliert: einen "faktischen Verzicht" auf Angriffsmaßnahmen habe es am Mittwoch sehr wohl gegeben.

Nur schade, daß bei der Nato auch diese Auslegung keine rechte Gnade findet. "Wir haben sehr wohl auch gestern noch in den Bodenkampf eingegriffen, sogar recht heftig", heißt es am Donnerstag in Brüssel. Was Scharping offenbar gemeint habe, sei etwas anderes: In der Tat gab es ab Mittwoch zwar noch Bombenflüge gegen jugoslawische Einheiten im Kosovo. Aber keine Angriffe mehr auf strategische Ziele in Serbien. Und in der Tat sei dies als Signal an die Serben gedacht gewesen; ganz so, wie es Scharping verstanden habe. Denn der Luftkrieg sei immer einer Doppelstrategie gefolgt: Bombardement der Einheiten im Kosovo, gleichzeitig "Strafaktionen" gegen jene strategischen Reserven im Mutterland, die die Generalität und die Regierenden in Belgrad nicht gerne in Flammen aufgehen sahen. Immer wenn die Jugoslawen Zeichen von Einsicht gezeigt hätten, seien diese Strafaktionen gestoppt worden; immer wenn sich die Einsicht als Finte erwies, hätten die Nato-Piloten in Serbien "wieder vorbeigeschaut".

Genau diese Strafaktionen also hat die Nato am Mittwoch beendet. "Wenn man sich Scharpings Aussage ansieht, dann sieht man, daß er das gemeint hat", sagt ein Nato-Mitarbeiter. Nur hat es Scharping eben so nicht gesagt. Schaden hat die Sache nicht angerichtet, war der Minister doch seiner Zeit nur um Stunden voraus: Ab Mittwoch, 23.30 Uhr, haben die Nato-Piloten tatsächlich gar keine Bombe mehr abgeworfen. Gerhard Schröder konnte darum ohne jedes Risiko am Donnerstag früh im Kabinett die Scharpingsche Formel aufgreifen: "Die Luftangriffe sind faktisch beendet", verkündete der Kanzler den Ministern. Ein anderer soll jetzt erst einmal deutlich weniger verkünden: Der General von Kirchbach hat einen Fingerzeig erhalten, er möge gefälligst in Zukunft seine Worte besser wägen.

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