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Politik: Rückkehr der Angst

Israels Regierung streitet darüber, wie groß die Sicherheitszone im Libanon werden soll

Offenbar gibt es schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten zwischen Israels Ministerpräsidenten Ehud Olmert und dessen Verteidigungsminister Amir Peretz: Wie tief in den Südlibanon hinein soll die geplante Sicherheitszone reichen? Der erst seit kurzem amtierende Verteidigungsminister hat jetzt der Armee die Weisung erteilt, die nächste Phase des Libanon-Krieges vorzubereiten: die Ausweitung der Bodenoffensive mit dem Ziel, eine Sicherheitszone bis zum Litani-Fluss zu errichten.

Diese soll das gesamte Gebiet zwischen Grenze und Fluss umfassen, also auch die Stadt Tyrus. Noch am Montag hatte sich das Sicherheitskabinett mit der Stimme von Peretz nur für einen sechs bis acht Kilometer breiten Sicherheitsgürtel im Südlibanon entlang der Grenze ausgesprochen. Olmert beharrt auf diesem Kabinettsbeschluss – aus mehreren Gründen. Israelische Truppen sollen den Sicherheitsgürtel nur so lange besetzen, bis eine internationale Truppe – mit einer Mannschaftsstärke von mindestens 10 000 Mann – die Kontrolle über das Gebiet übernimmt. Bei einer breiten Sicherheitszone besteht die Gefahr, dass entweder die israelischen Soldaten diese noch längere Zeit besetzt halten müssen oder aber ein Machtvakuum entsteht, in das die Hisbollah wieder vorstoßen könnte.

Noch ist die Sicherheitszone aber nicht beschlossen. Kommt sie, dann würde die Entscheidung überschattet von traumatischen Erinnerungen an den Libanonkrieg 1982 und die anschließende Besetzung bis zum Jahr 2000. Die neue Zone wäre größer als die frühere. Die Angst davor, erneut im „libanesischen Sumpf“ zu versinken, kam schon kurz nach Kriegsbeginn auf. Zu Beginn des Krieges 1982 hatte der damalige Verteidigungsminister Ariel Scharon von einer Frontlinie 40 Kilometer nördlich der Grenze gesprochen – und war dann bis Beirut durchmarschiert. Angebliches Ziel der „Frieden-für-Galiläa“-Operation war es laut Regierungschef Menachem Begin, dass „für alle Ewigkeiten keine Katjuschas mehr auf Kiriat Schmona und Naharija fallen“. In Wirklichkeit wollte Scharon den PLO-„Staat im Staate“ Libanon zerstören.

Diesmal war zuerst von einem Einsatz von Bodentruppen überhaupt keine Rede, nur von Luftangriffen. Jetzt hat die Armee einen drei bis sieben Kilometer breiten, 70 Kilometer langen Sicherheitsgürtel besetzt. Und nun spricht Peretz vom Litani-Fluss und von Tyrus. Und nicht nur die schiitischen Vororte im Süden von Beirut, sondern Ziele in der libanesischen Hauptstadt selbst werden bombardiert.

Gleichwohl wird das Trauma des ersten Libanonkrieges verhindern, dass die aktuelle Auseinandersetzung den ganzen Libanon überzieht. Auf israelischer Seite sind auf politischer Entscheidungsebene zwar entschlossene, aber auch pragmatische und realistische Politiker am Werk: Olmert lässt sich nicht wie Begin von seinem Verteidigungsminister über den Tisch ziehen. Peretz setzt sich nicht wie Scharon rücksichtslos über alle Widerstände hinweg. Und Bauminister Meir Sheetrit, Beobachter im Sicherheitskabinett, lehnte am Freitag im israelischen Radio die Litani-Pläne mit den Worten ab: „Kommt nicht in Frage. Wir waren schon einmal in diesem Sumpf. Lernen wir nichts, vergessen wir alles?“

Sicherheitszone mit lang anhaltender Truppenpräsenz heißt, wie die Erfahrung lehrt, täglich Bomben und Attacken gegen die Soldaten, Entführungen und Beerdigungen. Das führt schnell zu einem Meinungsumschwung im eigenen Land. Kein Wunder, dass in den Korridoren der Politik bereits Stimmen vernehmbar sind, die auf ein Alibi hinauslaufen für den Fall, dass der Krieg nicht nur weitergeht, sondern sich auch territorial ausweitet. „Die Armee ist schuld. Sie hat ihre selbst gesteckten Ziele immer noch nicht erreicht.“ Nach dreieinhalb Wochen und verlustreichen Bodenkämpfen schlagen täglich mehr Katjuschas in Galiläa ein als in den sechs Jahren seit dem Rückzug aus der südlibanesischen Sicherheitszone.

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