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Politik: Rücktritt: "Che" geht, ein neuer Vertrauter kommt

Das französische Sommertheater ist beendet. Sechs Wochen nach den ersten Rücktrittsgerüchten reichte Innenminister Jean-Pierre Chevenement am Dienstag seine Demission ein.

Das französische Sommertheater ist beendet. Sechs Wochen nach den ersten Rücktrittsgerüchten reichte Innenminister Jean-Pierre Chevenement am Dienstag seine Demission ein. Premierminister Lionel Jospin nahm den Rücktritt "mit Bedauern" an und schlug den bisherigen Regierungssprecher Daniel Vaillant als Nachfolger vor. Am Nachmittag wurde Vaillant von Staatspräsident Jacques Chirac offiziell zum neuen französischen Innenminister ernannt.

Auf Vaillant, der als Jospin-Vertrauter gilt, kommt eine schwierige Aufgabe zu. Der neue Innenminister muss nicht nur den "Jospin-Plan" für Korsika ins Parlament einbringen - sein Vorgänger und Studienfreund Chevenement hatte sich standhaft geweigert, den umstrittenen Gesetzentwurf zu vertreten. Vaillant muss auch den zivilen Frieden auf der französischen Mittelmeerinsel wiederherstellen. An dieser Aufgabe, die als Voraussetzung für die geplante Teilautonomie Korsikas gilt, waren alle seine Vorgänger gescheitert. 1998 hatten Ultranationalisten den korsischen Präfekten Claude Erignac auf offener Straße erschossen.

Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt. Indirekt hat er jedoch zum Sturz von Chevenement geführt. Der prinzipienfeste Ex-Minister verlangte nämlich, dass sich die korsischen Nationalisten eindeutig von dem Mord an Erignac und weiteren Gewalttaten distanzieren sollten. Ohne diese Distanzierung abzuwarten, leitete Jospin einen Dialog mit den korsischen Abgeordneten - darunter auch Nationalisten - ein. "Jospin hat die Forderung nach Gewaltverzicht fallen gelassen", empörte sich Chevenement im November des vergangenen Jahres. Seither war der Bruch mit dem Premierminister programmiert.

Die korsischen Nationalisten haben Chevenements Rücktritt begrüßt. Der "unbelehrbare Jakobiner" sei ein "Hindernis für den Friedensprozess" gewesen. Zufrieden zeigten sich auch die an der Regierung beteiligten Grünen. Lob kam hingegen von der bürgerlichen Opposition. Der Rücktritt Chevenements sei eine "mutige und logische Entscheidung", hieß es bei der liberalen UDF.

Aus den Reihen der regierenden Sozialisten kommen widersprüchliche Signale. In den letzten Tagen hatten führende Politiker und Minister ihre Solidarität mit Chevenement bekundet. Am Montag kam es jedoch zu einer Polarisierung. Während Parteisprecher Francois Hollande den Innenminister zum Rücktritt drängte, ging der Minister für Berufsbildung, Jean-Luc Melenchon, auf Distanz zu Premier Jospin. Bei einer Klausurtagung der Sozialisten am Wochenende dürfte sich zeigen, ob der Premier unbeschadet aus dem Streit hervorgeht.

Abzuwarten bleibt auch, welche Haltung Chevenement einnimmt. Für den streitbaren Linksnationalisten ist es bereits sein dritter Rücktritt aus einem Regierungsamt. 1983 hatte er wegen der liberalen Sparpolitik, 1991 wegen der Beteiligung Frankreichs am "amerikanischen Golfkrieg" seinen Hut genommen. Die dritte Demission könnte das Ende seiner politischen Karriere bedeuten. Denkbar ist aber auch, dass "Che" zum Idol der französischen Patrioten und EU-Gegner aufsteigt.

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