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Rücktritt des FDP-Generalsekretärs: In der Union schweigt man laut

Auf den ersten Blick ist der Rücktritt des Generalsekretärs der FDP eine Sache der Liberalen. Doch die Partei ist Regierungspartner der Union. Welche Auswirkungen hat der Vorgang auf die Koalition?

Von Robert Birnbaum

Der Abgeordnete, nennen wir ihn B., steht im Foyer des Reichstags vor dem Fernsehschirm. Drinnen im Plenarsaal schimpft gerade Gregor Gysi über den Euro-Gipfel, was man hier draußen auf dem Bildschirm mitverfolgen kann. B. ist von der CDU, einer von den alten Kämpen; er guckt aufs Handy und wartet auf einen Anruf. Da wirft der Fernseh-Gysi die Arme am Rednerpult hoch und ruft der Kanzlerin zu: „Sie sollten sich langsam mal Sorgen um die Stabilität Ihrer Koalition machen!“ B. schaut auf. „Wo er recht hat, hat er recht“, sagt der Abgeordnete. Er wirkt unfroh dabei.

Der Rücktritt von FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat den Koalitionspartner genauso kalt erwischt wie fast die gesamte FDP. Offiziell beschweigen CDU und CSU den Vorgang. Unter Koalitionären gilt gemeinhin ein Prinzip, das seit dem Ende des Ost-West-Konflikts eigentlich erledigt schien: das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten des jeweils anderen. Angela Merkel redet im Bundestag strikt nur vom Euro. Regierungssprecher Steffen Seibert verweist darauf, dass der Vorgang im Kabinett kein Thema war – was andere bestätigen – und schweigt ansonsten. CDU- Generalsekretär Hermann Gröhe gibt der Hoffnung Ausdruck, dass der Partner „zügig die jetzt angezeigten Personalentscheidungen trifft“, was man, wäre man ein Schelm, durchaus hintersinnig lesen könnte. Gröhe versichert ansonsten, die Koalition werde „mit ganzer Kraft“ weiterarbeiten.

Die Frage dabei ist halt nur: Mit welcher Kraft genau? Wenn keine Kamera dabei und kein Mikrofon in der Nähe ist, brechen sich an diesem Mittwoch deutlicher noch als sonst Frustration und Überdruss Bahn. Selbst tapfere Anhänger der schwarz-gelben Koalition ziehen beim Stichwort „Wunschbündnis“ nur noch Grimassen. Nach dem Sturz Guido Westerwelles hatten sie für kurze Zeit die Hoffnung auf einen Neuanfang der Liberalen jenseits der zur Parodie gewordenen Steuersenkungspartei. „Das wäre doch nicht schwer gewesen“, sagt einer aus dem Führungszirkel der Unionsfraktion. „Sie hätten sich ja nicht mal neu erfinden müssen als die Partei, die in Zeiten der Finanz- und Euro-Krise ernsthaft auf Sparsamkeit achtet.“ Stattdessen wieder bloß Steuer-Lieferversprechen. „Ich fürchte“, sagt der Mann, „die FDP richtet sich gerade selbst zugrunde.“

Die Aussicht, dass die Krise der FDP geradewegs in eine Krise der Koalition münden könnte, löst bei Unionspolitikern weniger Angst als resigniertes Schulterzucken aus: Na, wenn’s denn sein soll ... Viele sind in Gedanken längst einen Schritt weiter: „Wer bleibt uns dann als nächster Koalitionspartner?“ Die SPD komme natürlich irgendwie immer infrage. Aber dass die Sozialdemokraten sich ohne Not noch einmal auf ein Bündnis mit Merkel einlassen würden, aus dem sie absehbar wieder nur gerupft hervorgehen würden? So finden plötzlich selbst Christdemokraten, die bisher keiner schwarz-grüner Fantasien verdächtig waren, die Öko-Partei interessant. Außer in manchen Fragen der Gesellschaftspolitik, sagt einer, wäre mit denen doch durchaus zu regieren – bei Haushalt, Finanzen, Steuern, selbst Energiepolitik seien die Schnittmengen groß. „Die Grünen“, fasst ein anderer Frustrierter zusammen, „sind wenigstens nicht verrückt.“ Der Satz wird noch bemerkenswerter, wenn man weiß, wie der Mann früher über die Ökos geredet hat.

Unter Merkels Unterstützertruppen hat diese Option bekanntlich auch eine gar nicht kleine Anhängerschaft. Aber vorerst wird dort die Parole ausgegeben: Augen fest zukneifen und durch. Eine Regierungskrise des stärksten Euro-Lands mitten in der Euro-Krise wäre unverantwortlich, gibt ein Vertrauter der Kanzlerin zu bedenken, von Neuwahlen ganz zu schweigen. Dass mit Lindners Rücktritt die Sache erledigt wäre, glaubt aber keiner. Manche hoffen sogar regelrecht darauf, dass noch mehr passiert. „In der FDP kommen Klärungsprozesse in Gang“, sagt einer aus dem CDU-Führungskreis. „Klärungsprozesse sind immer gut.“

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