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Politik: Rückzug auf Raten

Vor Beginn des islamischen Fastenmonats zieht Israel seine Soldaten aus Teilen des Gazastreifens ab

Mindestens 132 Tote, darunter 31 Kinder – das sind die Folgen auf palästinensischer Seite nach der zweiwöchigen „Operation Bußtage“ im nördlichen Gazastreifen. Die Zahl der Verletzten beläuft sich auf 422, 138 davon Kinder. Zu Beginn des Fastenmonats Ramadan hat Premier Ariel Scharon aber den dringlichen Forderungen der eigenen Armeeführung und der US-Regierung nachgegeben und seine „grundsätzliche Zustimmung“ zum weitgehenden Rückzug der Soldaten gegeben.

Am Freitagabend begann das israelische Militär mit der Umsetzung dieses Vorhabens. „Die Kräfte werden aber weiter gegen palästinensische Raketenangriffe vorgehen“, sagte eine Armeesprecherin in Tel Aviv. Ohnehin soll sich nur ein Teil der Truppen zurückziehen, unter anderem aus dem großen Flüchtlingslager Dschabalija und aus den benachbarten Städten Beit Hanun und Beit Lahija an deren äußersten Rand. Die „Operation Bußtage“ war eingeleitet worden, nachdem zwei Kinder von Kassam-Raketen getötet worden waren. Noch am Freitagmorgen waren zwei Raketen nahe einer Ortschaft niedergegangen. Der Abschuss weiterer Raketen ließ sich fast nicht verhindern, da das palästinensische Kommando Kinder als Helfer und Schutzschilde missbrauchte, und die Israelis deshalb keinen Schießbefehl erteilten.

Was Scharons allgemeinen Rückzugsplan aus dem Gazastreifen und die damit verbundene Räumung einiger Siedlungen betrifft, fordern nun mehrere Minister und Abgeordnete seiner Likud-Partei eine Volksabstimmung. Der Premier hat sich mehrfach dagegen ausgesprochen, da sich so die ab kommenden Mai geplanten Siedlungsräumungen und der für den Herbst 2005 vorgesehene Truppenabzug auf das Wahljahr 2006 verschieben würden. Dies brächte auch den rechtsextremen Fanatikern noch mehr Zeit, einen gewaltsamen Widerstand vorzubereiten.

Scharon versucht nun, durch persönliche Gespräche eine Mehrheit in Regierung und Knesset für seinen Plan zu gewinnen. Jedoch sollen die drei einflussreichsten Likud-Minister – Finanzminister Benjamin Netanjahu, Außenminister Silvan Schalom und Erziehungsministerin Limor Livnat – ein Ultimatum gestellt haben: Entweder Scharon prüft ernsthaft die Idee einer Volksabstimmung oder aber sie votieren gegen seinen Plan. Am Sonntag will sich Scharon nun seit langer Zeit wieder mit der Siedlerführung treffen, kommende Woche stellt er sich im Hinblick auf die entscheidende Abstimmung am 25. Oktober der Likud-Fraktion – von der ihm rund die Hälfte die Gefolgschaft bisher verweigert.

In der Nacht zum Freitag hatten Siedler und deren nationalistische Sympathisanten durch etwa 100 parallel abgehaltene Kundgebungen eine Machtdemonstration geplant. Doch statt der erhofften halben Million zählten die Veranstalter nur 150 000 Teilnehmer, die Polizei kam sogar nur auf 50 000. Israels früherer Oberrabiner Avraham Schapira und 56 weitere Rabbiner riefen Soldaten und Grenzwächter auf, Befehle zur Räumung von Siedlungen zu verweigern. Der Aufruf wurde auch in nationalreligiösen Kreisen heftig kritisiert, während Scharon zurückschoss: „Die Verweigerung zerstört den Staat“, und an die Siedler gewandt: „Überspannt den Bogen nicht.“

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