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Politik: Rückzug auf Raten

Der Druck auf Blair ist groß, die britischen Truppen zu reduzieren – nach Scheitern darf es nicht aussehen

Vor drei Jahren protestierten in London mehr als eine Million Menschen gegen den Irakkrieg. Am Samstag waren es noch etwa 15 000. Laut dem Mitbegründer der britischen „Stop the War“-Kampagne, John Rees, wollten die Demonstranten auf einen raschen Abzug aller britischen Truppen drängen und Tony Blair vor jeder Unterstützung eines amerikanischen Angriffs auf Iran warnen.

Blair wird es an diesem Montag seinem Verteidigungsminister John Reid überlassen, den Jahrestag des Kriegsbeginns mit einer Rede zu begehen. Er selbst äußert sich in letzter Zeit so wenig wie möglich zum Irakkrieg. Nach dem Skandal zum Thema Parteienfinanzierung fällt ihm das nicht schwer – die Aufmerksamkeit der Medien richtet sich seither mehr auf dieses Thema. Als Blair jüngst in einem Interview erklärte, Gott werde entscheiden, ob die Kriegsentscheidung richtig war, hagelte es Proteste. „Gott als Entschuldigung für das totale strategische Scheitern zu nehmen, ist entsetzlich“, sagte Reg Keys, Vater eines der mehr als 100 gefallenen britischen Soldaten.

Verteidigungsminister Reid wird in seiner Rede am Montag über die „Erfolge, Hoffnungen und Herausforderungen für die neue irakische Demokratie“ sprechen. Vergangene Woche sagte er, ein Bürgerkrieg „steht weder unmittelbar bevor, noch ist er unvermeidlich“. Doch der frühere irakische Ministerpräsident Iljad Allawi erklärte am Sonntag in der BBC: „Wir befinden uns im Bürgerkrieg.“ Bei 50 bis 60 Toten pro Tag könne man von nichts anderem sprechen.

800 britische Soldaten sollen bis Mai 2006 aus dem Irak abgezogen werden, das entspricht einer Reduzierung um etwa zehn Prozent auf 7000 Mann. Im Oktober 2003 waren im Irak 10 000 britische Soldaten im Einsatz. Reid betonte, die Truppenreduzierung sei keine Reaktion auf die wachsende Gewalt im Irak und erfolge nicht im Rahmen einer Übergabe von Sicherheitsaufgaben an die neue irakische Armee. Die britische Regierung will einen überstürzten Abzug, der wie ein Scheitern der Mission aussähe, auf jeden Fall vermeiden – steht gleichzeitig aber unter großem Druck, die Truppenstärke rasch zu reduzieren, nicht zuletzt seitens der durch die Kriegseinsätze im Irak und in Afghanistan überdehnten britischen Armee. „Die Aggressivität der Terroristen wird unseren Willen, den Job zu vollenden, nicht brechen“, betonte Reid.

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