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Rüstung: Russische Atom-U-Boote beunruhigen die USA

Vor der Ostküste Amerikas sind zum ersten Mal seit 15 Jahren zwei russische U-Boote aufgetaucht. Moskau spricht von einem normalen Manöver, Washington reagiert alarmiert.

Was die US-Geheimdienste vor Kurzem im Atlantik rund 200 Meilen vor der amerikanischen Küste entdeckten, hätte während des Kalten Krieges noch einen Großalarm ausgelöst: Zwei russische Atom-U-Boote tauchten in der Nähe der Ostküste auf. Eines der Boote fuhr in Richtung Kuba, das andere in Richtung Norden.

In den USA diskutieren Sicherheitsexperten nun, ob die Patrouillenfahrten der mit Zweitschlagwaffen bestückten U-Boote auf eine neue aggressivere russische Außenpolitik hindeuten. Nach dem Besuch von US-Präsident Barack Obama in Moskau vor wenigen Wochen gingen Beobachter davon aus, dass die diplomatische Eiszeit zwischen Washington und Moskau vorbei sei. Beide Staaten sollten künftig "Partner statt Rivalen“ sein, hatte Obama gesagt.

Er und sein russischer Kollege Dmitrij Medwedjew vereinbarten eine Reduzierung der taktischen Atomwaffen. Amerika und Russland wollen ihre Nuklear-Arsenale abrüsten und auf rund 1500 bis 1700 Sprengköpfe verringern.

Dass Russland nun trotz der diplomatischen Annäherung erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges wieder seine atomare U-Bootflotte in der Nähe des amerikanischen Festlandes operieren lässt, ist ein überraschender Schritt. So einen Vorfall habe es seit 15 Jahren nicht mehr gegeben, sagte der Marinehistoriker und U-Boot-Experte Norman Polmar der Tageszeitung New York Times.

Obama hatte sich im Juli noch in einem Zeitungsinterview darüber beklagt, dass Russland Premierminister Wladimir Putin immer noch dem Denken des Kalten Krieges verhaftet sei. Der ehemalige Präsident und mächtigste Mann Russlands hatte die Kritik zurückgewiesen.

Ein Mitglied des russischen Generalstabs sprach gegenüber der Nachrichtenagentur Interfax von einer gewöhnlichen Kontrollfahrt im Rahmen des geltenden Seerechts. Was die Unterseeboote kontrollieren wollten, behielt er allerdings für sich. Ausgerüstet sind sie nicht nur mit Langstreckenraketen mit nuklearen Gefechtsköpfen, sondern auch mit moderner Abhörtechnik. Im Kalten Krieg wurden die Atom-U-Boote auch zu Spionagezwecken eingesetzt.

Amerikanische Spezialisten berichteten der New York Times, dass es sich bei den ungebetenen Gästen um U-Boote der Akula-Klasse gehandelt habe. Von diesem Typ verfügt die russische Marine nur über 14 Einheiten. Sie sind 110 Meter lang, ihre Besatzung umfasst  73 Mann. Sie entsprechen den U-Booten der amerikanischen Los-Angeles-Klasse.

Im August 2001 soll das jüngste Akula-U-Boot vom Stapel gelaufen sein. Eines der beiden entdeckten U-Boote stammt aus der neueren Baureihe. Die Akula-II-Einheiten sind sehr leise und eignen sich ebenso zum Kampf gegen andere Schiffe wie zum Angriff auf Ziele an Land.

Die russische Führung hatte in den vergangenen Monaten mehrfach mit militärischen Gesten ihren Anspruch unterstrichen, als Weltmacht zu gelten. Die Luftstreitkräfte nahmen die Atlantikflüge von strategischen Langstreckenbombern wieder auf und im sogenannten Hinterhof der USA, vor der Küste Lateinamerikas, fuhren russische Kriegsschiffe mit der Marine Venezuelas zu einem gemeinsamen Manöver aus. Das südamerikanische Land hat zudem bei russischen Werften fünf moderne U-Boote bestellt. Der Waffendeal wurde in den USA kritisiert, da Venezuelas Präsident Hugo Chávez einen Verteidigungspakt mit Kuba geschlossen hat.

Moskau verärgerte Washington zudem in den vergangenen Jahren wegen seiner Rüstungsgeschäfte mit Iran und Syrien. Die russische Regierung drohte im Gegenzug amerikanischen Rüstungsschmieden mit Sanktionen, sollten diese weiterhin Waffen an Georgien verkaufen. Es sei bedauerlich, dass die USA das georgische Militär am Laufen hielte, sagte der stellvertretende russische Außenminister Grigori Karasin am Dienstag in Moskau.

Militärische Stärke versuchte die russische Marine bereits Mitte Juli zu demonstrieren. Ein russisches Atom-U-Boot feuerte in der Arktis eine neue Langstreckenrakete ab. Der Test der Bulava-Rakete misslang jedoch, das Geschoss soll ins Meer gestürzt sein.

Dass Moskau weiterhin mit dem Säbel rasselt, könnte mit der russischen Ablehnung der US-Pläne für eine Raketenabwehr in Tschechien und Polen zusammenhängen. Eine weitere Überlegenheit der US-Streifkräfte bei konventioneller und atomarer Rüstung will Russland nicht dulden und kündigte eine massive Aufrüstung an, sollten die USA ihren Raketenschirm tatsächlich aufbauen.

Im vergangenen Jahr standen sich Kriegsschiffe aus beiden Staaten während des Georgienkrieges im Schwarzen Meer direkt gegenüber. Die Generalstabschefs Russlands und der USA versicherten sich eilig im direkten Gespräch, dass man Frieden halten wolle.

Einige amerikanische Generäle versuchen nun auch, die aufgeregte Debatte um die russischen U-Boote zu versachlichen. Ein ranghoher amerikanischer Offizier warnt vor Hysterie: Solche russischen Manöver seien zwar sehr selten, die Flotte der ehemaligen Roten Armee habe aber solche Operationen nie aufgegeben.

Quelle: ZEIT ONLINE, 5.8.2009 - 19:47 Uhr

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