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Waffen verkaufen sich immer. Produktion des deutschen Leopard-2-Panzers.

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Rüstungsindustrie: Krise? Welche Krise?

Studien zeigen: Die Rüstungsindustrie boomt, die Militarisierung nimmt zu. Auch immer mehr deutsche Waffen gelangen in krisenhafte Regionen.

Von Michael Schmidt

Berlin - Das Geschäft mit dem Tod ist eines der lukrativsten. Nach wie vor. Oder, genauer gesagt: Mehr denn je. Frieden schaffen mit immer weniger Waffen – das hat sich als politisch naive Wunsch-Parole erwiesen: Die Rüstungsindustrie boomt, die Militarisierung der Welt schreitet voran, die Zahl der gewaltsamen Konflikte nimmt zu. Katja Keul sieht einen fatalen Trend: „Die Tendenz geht in die falsche Richtung“, sagt die Rüstungsexpertin der Grünen, „immer mehr Waffen gelangen in immer mehr eher krisenhafte Regionen“. Das gelte nicht zuletzt auch für solche made in Germany.

Es ist kein Zufall, dass die soeben zu Ende gegangene Idex, eine der mit mehr als 1000 Ausstellern größten Rüstungsmessen der Welt, in Abu Dhabi stattfand, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. Hier, am Golf, wo die Zahlungskraft dank sprudelnder Ölquellen besonders groß, und in den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, wo der Wille, Kampfflugzeuge, Panzer, Kriegsschiffe und Gewehre zu kaufen, besonders ausgeprägt ist, wird im weltweiten Vergleich am meisten Geld für Rüstung und Militär ausgegeben. Das geht aus dem aktuellen „Globalen Militarisierungsindex“ hervor, den das Internationale Konversionszentrum BICC in Bonn erstellt hat.

Die Studie erfasst, wie viele öffentliche Gelder in das Militär fließen, welchen Anteil am Bruttosozialprodukt Rüstungsausgaben haben und wie es sich mit der Verteilung der Staatsmittel im Vergleich mit anderen gesellschaftlichen Bereichen wie etwa der Gesundheitsversorgung verhält. So wendet Russland (2009: Rang 5) im Verhältnis zur Gesellschaft mehr Ressourcen für den Militärsektor auf als die USA (2009: Rang 35) – das absolute Verteidigungsbudget der USA aber liegt deutlich über dem Russlands. Die USA, regiert von Friedensnobelpreisträger Barack Obama, liegen mit 663 Milliarden Dollar (507 Milliarden Euro) und einem Anteil von 43 Prozent an den globalen Rüstungsausgaben einsam an der Weltspitze.

Die BICC-Liste enthält Angaben zu 161 Staaten. Deutschland liegt auf Platz 81 und damit im mittleren Bereich. Deutliche Zuwächse verzeichnet die Statistik bei Schwellenländern. So stiegen in China die Militärausgaben seit 2000 um 216 Prozent, für Indien lag der Wert bei 67 Prozent, für Brasilien bei 38 Prozent. „Dass mit Israel, Syrien, Jordanien und Kuwait vier Länder des Nahen und Mittleren Ostens an der Spitze der Top Ten stehen, verweist auf die hohe Militarisierung dieser konfliktreichen Region, die zu ihrer weiteren Instabilität beiträgt“, stellt Jan Grebe, Projektleiter am BICC, fest. Weitere sieben Länder der Region befinden sich 2009 unter den Ländern mit den höchsten Militarisierungsgraden: Libyen, Oman, Bahrain, Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate, Irak und Algerien.

Wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri ermittelte, hat die Finanzkrise der Waffenindustrie keineswegs geschadet, im Gegenteil: Die weltweit führenden Rüstungskonzerne haben ihre Geschäfte im Jahr 2009 deutlich ausgeweitet. Seit 2002, als der Kampf gegen den Terror und der Krieg in Afghanistan begann, haben sich die Rüstungsausgaben mehr als verdoppelt. Der Umsatz der 100 größten Hersteller stieg 2009 um acht Prozent auf 401 Milliarden Dollar (296 Milliarden Euro). Deutschland zählt nach den USA und Russland zu den größten Waffenexporteuren: In den vergangenen fünf Jahren haben deutsche Firmen ihre Rüstungsexporte fast verdoppelt.

Nun werden zwar die Wehretats nicht nur in Deutschland geschrumpft. Katja Keul jedoch mag das nicht beruhigen. Die Grünen-Politikerin sieht vielmehr die Gefahr, dass sich die Rüstungsindustrie nur umso nachdrücklicher neue Absatzmärkte sucht und dabei mehr und mehr auf problematische Drittstaaten setzt. So werde durch die Ausfuhr von Panzern eine Rüstungsspirale in Südamerika angetrieben. Nach Mexiko würden Kleinwaffen geliefert, „obwohl dort Menschenrechtsverletzungen verübt“ werden. Und im Zuge der anstehenden Bundeswehrreform würden frei werdende Waffen womöglich „meistbietend verhökert“. Dass Bundesregierung und Europäische Union, wie im Falle Libyens, „zunächst munter Waffen liefern und den Export erst stoppen, wenn es dort brennt und zu spät ist“, zeuge von Heuchelei. Keuls Forderung: In dem Maße, in dem sich Europas Rüstungspolitiken verzahnen, müsse auch die Rüstungskontrolle europäisiert werden.

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