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Politik: Rüttgers Qual mit der Wahl

In NRW droht Schwarz-Gelb eine Krise, weil die CDU-Basis den Koalitionsvertrag in einem zentralen Punkt nachverhandeln will

Das Wort Streit nimmt Jürgen Rüttgers nicht in den Mund. Auch in vertraulichen Runden spricht der Regierungschef im größten Bundesland über seine schwarz- gelbe Koalition nur in den höchsten Tönen. Mal lobt er die „Gestaltungskoalition“, dann wieder freut er sich darüber, dass „Nordrhein-Westfalen endlich Tempo aufnimmt“. Gelegentlich fügt er noch hinzu, dass sich sein Bündnis mit den Liberalen als Gegenmodell vom schwarz-roten Stillstand in Berlin deutlich abhebe. Selbst in diesen Tagen hält Rüttgers die Tonlage scheinbar mühelos durch, obwohl es hinter den Kulissen kräftig kracht.

Seit die CDU-Basis in den Kommunen Sturm gegen Veränderungen an der Gemeindeordnung läuft, muss Rüttgers damit rechnen, den Regierungsvertrag mit der FDP in einem zentralen Punkt neu zu verhandeln. Der eigene Parteitag am Wochenende wird ihm in diesem Punkt Fesseln anlegen und sich gegen eine Entkopplung von Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen aussprechen.

Im Koalitionsvertrag hatten sich Christdemokraten und Liberale auf anderes verständigt. Beide Parteien waren der Auffassung, dass die Bürgermeister künftig getrennt von den Räten gewählt werden sollten und ihre Amtszeit acht Jahre betragen sollte. Auf diese Weise wollte man die Stellung des Stadtoberhauptes stärken.

Die Idee selbst ist alt und gehörte in der Vergangenheit bei vielen CDU-Parteitagen zu den Standardforderungen, die immer wieder bekräftigt wurden. Sie hatte nur einen Nachteil: Sie stammt aus Zeiten, in denen die SPD die meisten Bürgermeisterposten an Rhein und Ruhr innehatten, und sollte helfen, deren Vormachtstellung zu brechen. Inzwischen hat sich die Lage verändert. Die CDU regiert im Lande, und selbst in den Kommunen stellt sie viele Bürgermeister. Seit das so ist, sinkt der Veränderungswille rapide. In einer Sitzung des Landesvorstandes bekam Rüttgers kürzlich heftigen Gegenwind aus den Gemeinden; vor allem die inzwischen mächtigen Fraktionschefs aus den Stadträten verlangten Änderungen am Koalitionsvertrag. „Wir wollen keine Sonnenkönige“, argumentieren sie plötzlich – wie einst die SPD.

Da Rüttgers nicht in einer aufgeladenen Atmosphäre nachverhandeln möchte, spielt er den Konflikt herunter. „Es gibt keine Koalitionskrise“, wiederholt er bei allen Gelegenheiten. Wenn er entsprechende Überschriften liest, schüttelt er nur den Kopf. Gelernt hat er diese Geduld bei seinem Lehrmeister Helmut Kohl, für den entscheidend war, „was hinten rauskommt“. Ganz sicher kann sich Rüttgers dieses Mal allerdings nicht sein, dass seine Methode verfängt. Der liberale Fraktionschef Gerhard Papke spielt auch in dieser Frage den Scharfmacher. „Es wird keine Nachverhandlungen geben“, hat er ultimativ vorgegeben. Für ihn ist die Entkopplung fest verabredet. Damit taucht die Frage auf, wer bei den Liberalen das Sagen hat. Sein Parteichef Andreas Pinkwart formuliert nicht so hart wie der Fraktionschef und verweist darauf, dass man beim Bafög den Koalitionsvertrag auch schon einmal verändert habe. „Das ist keine Bibel“, pflegt Rüttgers zu sagen und hofft darauf, dass Pinkwart seinen Papke zurückpfeift. Wenn das nicht gelingt, macht Rüttgers die Erfahrung, die er vermeiden wollte: Es gibt Streit.

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